Die heute in Kraft tretende neue Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (NordSBefV) ist eine Enttäuschung. Aus Sicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fällt die Novelle aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) weit hinter den erforderlichen Schutzbedarf mit ausreichenden Ruhezonen und Geschwindigkeitsbeschränkungen zurück.
„Zwar bezieht die neue Rechtsverordnung das gesamte Weltnaturerbegebiet ein und beseitigt bisher bestehende Rechtsunsicherheiten. Das ist nach 30 Jahren überfällig. Für den Verkehr auf dem Wasser sind die neuen Vorgaben jedoch nur ein schlechter Kompromiss: Obwohl der Natur in Nationalparks und gerade in unserem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer der absolute Vorrang gebührt, wird sie weiterhin als bloßer Abwägungsgegenstand behandelt“, so Susanne Gerstner, Landesvorsitzende des BUND Niedersachsen.
Besonders kritisiert der BUND an der neuen Verordnung, dass neue und zu viele Schnellfahrkorridore sowie komplizierte Geschwindigkeitsregelungen vorgesehen sind. Zudem sollen zusammenhängende Schutzbereiche durch Fahrwasser durchschnitten werden, wodurch es zu einer weiteren Zunahme des Unterwasserlärms kommt. Besonders ärgerlich ist, dass die Verordnung keine Einschränkungen oder Regelungen für schnelle Wassertaxis und Schiffe zur Offshore-Versorgung vorsieht. „Diese Kompromisslösung geht erheblich zu Lasten des Naturschutzes im Wattenmeer. Überdimensionierte Bereiche zum Kitesurfen werden zu massiven Störungen bei Seehunden, Kegelrobben und Schweinswalen sowie Wattenmeervögeln führen, die für Rast und Nahrungssuche auf die Ruhe in den Wattenmeer-Nationalparks angewiesen sind. Weiterhin existiert das Schutzgebiet nur auf dem Papier – und ist Opfer der menschlichen Ausbeutung. Hier muss dringend nachgebessert werden“, erklärt Stefanie Sudhaus, Meeresschutz-Expertin beim BUND Landesverband Schleswig-Holstein.
Der BUND bekennt sich zwar grundsätzlich zu einer Befahrbarkeit des Wattenmeeres zum Beispiel durch Fähren, Ausflugsschiffe oder den Wassersport. Der Verband fordert aber ausreichend große Ruhezonen und wirksame Geschwindigkeitsbegrenzungen auch für Wassertaxis und Offshore-Versorger. Nadja Ziebarth, Leiterin des BUND-Meeresschutzbüro kritisiert: „Solche Ruhezonen sieht die Verfahrensverordnung für die gewerbliche Schifffahrt jedoch gar nicht und für den Freizeitsport nicht ausreichend vor. Wir appellieren deshalb an die Nutzer, zumindest die neu gefassten Schutzregelungen zu respektieren und insbesondere die Geschwindigkeitsvorgaben einzuhalten. Die anliegenden Küstenländer müssen die Einhaltung der Regelungen wirksam kontrollieren und Verstöße konsequent ahnden.“
Die Wattenmeer-Nationalparks repräsentieren ein wertvolles, natürliches Ökosystem mit globaler Bedeutung, für das auch europarechtlich die höchsten Schutzanforderungen gelten. Gerade in Nationalparks müssen der Natur von jeglicher Nutzung freie, unberührte Bereiche überlassen sein, so der BUND zur vertanen Chance einer überzeugenden Befahrensregelung.
Hintergrund:
Die neuen „Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee“ (NordSBefV) tritt an die Stelle der bisherigen Rechtsverordnung von 1992/1995, die nur Teilbereiche der deutschen Nationalparks abdeckte und völlig veraltet war. Eine am Naturschutz orientierte Neufassung hatten gerade auch die Naturschutzverbände seit über zwanzig Jahren immer wieder eingefordert.
Bei Rückfragen:
Susanne Gerstner, Landesvorsitzende, BUND Landesverband Niedersachsen, Tel. (0175) 565 08 52, susanne.gerstner(at)nds.bund.net
Stefanie Sudhaus, Meeresschutz-Expertin, BUND Landesverband Schleswig-Holstein, Mobil: (01522) 90 15 049, stefanie.sudhaus(at)bund-sh.de
BUND-Pressestelle:
Elisabeth Schwarz, Tel. (0511) 965 69 – 32, (01515 33 111 88), presse(at)nds.bund.net, www.bund-niedersachsen.de