BUND-Landesverband Schleswig-Holstein e.V.

Weiterbau der A-20 – Sieben Milliarden teures Öko-Desaster?

05. Juni 2021 | Klimawandel, Landespolitik, Mobilität, Wälder

BUND fordert am Protestwochenende: Generationengerechte Verkehrswende für Klima- und Umweltschutz

Weiterbau der A-20 – Sieben Milliarden teures Öko-Desaster?

BUND fordert am Protestwochenende: Generationengerechte Verkehrswende für Klima- und Umweltschutz

Glückstadt/Bad Segeberg – Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e.V. (BUND) organisierte zusammen mit lokalen Initiativen am Samstag, den 5. Juni, im Rahmen eines deutschlandweiten Autobahn-Protest-Wochenendes unter dem Titel „Verkehrswende jetzt – Autobahnbau stoppen“ in Glückstadt und Bad Segeberg zwei Fahrrad-Demonstrationen. Gemeinsam mit zahlreichen BUND-Ehrenamtlichen demonstrierten insgesamt hunderte Menschen entlang der geplanten Trasse friedlich gegen den geplanten Weiterbau der Autobahn A20.

Bei frühsommerlichem Wetter legte in Glückstadt zur Mittagszeit eine mit bunten Protestbannern geschmückte Fähre aus dem niedersächsischen Wischhafen an: Nach einer Kundgebung am Fähranleger mit Redebeiträgen u. a. vom Landesvorsitzenden des BUND Niedersachsen fuhren viele Fahrrad-Demonstranten durch die umliegende flache Marsch: Dieses Landschaftsbild würde mit dem Bau der A20 durch einen bis zu acht Meter hohen Damm zerstört. Am Spätnachmittag endete die Tour in Hohenfelde, wo der Bürgermeister der Gemeinde deren Betroffenheit durch die A20 kritisierte. Gleichzeitig mit den Glückstädter Radlern startete in Bad Segeberg eine ähnlich große Menschenmenge nach einer Kundgebung auf dem Kirchplatz mit ihren Fahrrädern entlang der geplanten A-20-Trasse Richtung Segeberger Forst. Vielen Teilnehmenden wurde so erst wirklich bewusst, welche Zerstörung der Landschaft droht, durch die die geplante Autobahn führen soll.

„Allein im Segeberger Forst würde eine rund 1,5 Kilometer lange Schneise das zweitgrößte Waldgebiet Schleswig-Holsteins zerschneiden – das sind 7,5 Hektar! Dabei handelt es sich um artenreichen Mischwald, der eigentlich zum Naturschutzgebiet „Wittenborner Heide“ gehörte: Das Land hat den Wald aber wegen der A-20-Planung bewusst ausgespart,“ erklärt Arne Hansen, Vorstandsmitglied der BUND Kreisgruppe Segeberg. „Wald ist neben Mooren eine bedeutende Kohlenstoffsenke, allerdings spielte und spielt Klimaschutz bei den Planungen, die aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts stammen, überhaupt keine Rolle,“ so Hansen weiter. „Schleswig-Holstein ist das waldärmste Bundesland und würde mit einer insgesamt sieben Milliarden Euro teuren Planung an dieser Stelle unwiederbringlich intakte Wälder und Moore zerstören,“ stellt Hansen fest. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Bau mit geschätzten 19.000 Fahrzeugen täglich nicht lohnt; im Vergleich nutzen zwischen dem Autobahndreieck Hamburg-Nordwest bis Hamburg-Stellingen täglich 152.000 Kraftfahrzeuge die benachbarte A7. Zu einer Reduktion des Verkehrs in der Hansestadt würde die Weiterführung der A20 aufgrund der Entfernung jedoch nicht führen. Die aktuelle Verkehrsbelastung der Bundesstraße 206 westlich von Bad Segeberg mit gerade einmal 12.000 Fahrzeugen täglich rechtfertigt ohnehin nicht die Planung einer Autobahn.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht Ende April mit seiner Entscheidung, den Staat zu verbindlichen Klimaschutzzielen zu verpflichten, ein grundlegendes Urteil gefällt hat, rückt der Fokus bei der Klimawende auf den Verkehr: Er ist der einzige Sektor in der Bundesrepublik, der bisher überhaupt keine CO2-Einsparungen vorzuweisen hat, sondern ganz im Gegenteil stetig mehr Emissionen produziert. Gleichzeitig sind mehr als 850 Kilometer Autobahnneubau im Bundesverkehrswegeplan 2030 vorgesehen und die Einführung eines Tempolimits wird nicht einmal ernsthaft erwogen. Eines der weltweit am dichtesten und besten ausgebauten Straßennetze soll noch weiter ausgebaut werden. Noch mehr Individual- und Güterverkehr soll auf die Straße verlagert werden. Dabei ist der Verkehr für 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich!

„Es ist fünf vor zwölf: Bereits jetzt sind schon 1,3 Grad der im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Obergrenze von 1,5 Grad erreicht,“ mahnt Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND Landesverbands Schleswig-Holstein. „Wir fordern einen grundsätzlichen Stopp des Autobahnneu- und Ausbaues in Deutschland: Das Auto ist NICHT das Fortbewegungsmittel der Zukunft – wir brauchen ein besseres ÖPNV-Netz, mehr Radverkehr und viel mehr Schiene! Das wäre nicht nur klimafreundlicher, sondern auch sozialgerechter. Wir müssen jeden Straßenbau daraufhin bewerten, ob das unter ökologischen, ökonomischen und Klima-Gesichtspunkten noch zu rechtfertigen ist. Bei der A20 ist die Rechnung leicht: Sie ist es nicht. Keinen Meter weiter!“

Die A 20-Planungen sind mit rund 200 Kilometern Länge von Weede kurz vor Bad Segeberg bis zum ostfriesischem Westerstede das längste und teuerste Neubauprojekt des gesamten Bundesverkehrswegeplans – und dasjenige mit dem selbst vom Bundesumweltamt anerkannten größten Umweltschaden. In vier Abschnitten wurden die Planungen bereits wegen Verstößen gegen das Gewässer- bzw. Artenschutzrecht gerichtlich gerügt und für rechtswidrig erklärt. In keinem einzigen Abschnitt existiert bislang Baurecht.

Rund 80 Prozent der geplanten Trasse verlaufen durch Moore und Marschböden, die insgesamt 450 Millionen Tonnen CO2 binden. In Schleswig-Holstein betrifft das den Großteil der Strecke von der Elbe bis nach Wittenborn. Ein erheblicher Teil des Treibhausgases würde durch den Bau freigesetzt, seltene Tierarten und angepasste Pflanzen ihren Lebensraum in diesen sensiblen Gebieten verlieren. „Alleine durch das Ausspülen des geplanten Elbtunnels würde saurer, schwefelhaltiger Abraum entstehen, der der Größe von zwei ägyptischen Gizeh-Pyramiden entspricht,“ so Eggers und ergänzt: „Die Belastung für die Organismen in den Marschgräben und schließlich der Elbe würden während der Bauphase unerträglich sein.“

„Jahrzehnte hat sich Deutschland nur auf den Ausbau für den Autoverkehr konzentriert, dabei geht es auch anders, wie uns etwa die Niederlande zeigen. Wir brauchen einen sozialen und klimagerechten Verkehr, der für zukünftige Generationen tragbar ist,“ betont Rainer Guschel von der BUND-Kreisgruppe Steinburg, der die Protestaktion in der Elbemarsch organisiert hat. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern fordert Guschel: „Alternativen sind machbar – die Regierung muss sich nur eingestehen, dass man eine Fehlplanung nicht immer zu Ende gehen muss: Die Zukunft unseres Planeten und unserer Kinder liegt in ihrer Hand.“

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