BUND-Landesverband Schleswig-Holstein e.V.

Agri-Photovoltaik

 (Samuel Farber / Pixabay)

Auf der Pariser Klimakonferenz 2015 beschloss die EU ihre CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent zu senken. Für Deutschland ist dabei eine Treibhausgasminderung von 38 Prozent bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2005 angestrebt. Um diese geplanten Ziele erreichen zu können, ist ein weiterer Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) von Nöten.

Deutschland sieht laut Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) 2021 eine Steigerung des Anteils an Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2050 auf 100 Prozent vor. Da diese Ausbauziele nicht alleine über die Windenergieerzeugung erreicht werden können, kommt dem Ausbau der Solarenergie eine entscheidende Rolle zu. Für die Dimensionen des Ausbaus, sprich der Erhöhung der Solarleistung bis 2030 auf 100 Gigawatt (Stand 2020: 52 Gigawatt), stehen keine ausreichenden Potenziale an Dach- und Gebäudeflächen für die Solarstromgewinnung zur Verfügung. Daher wird dies zukünftig auch zunehmend die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen für die Errichtung von Freiflächen–Photovoltaikanlagen (FFPV) mit einschließen.

Das bedeutet aber, dass der Ausbau von FFPV-Anlagen somit in Flächenkonkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion treten wird. Die mit Photovoltaikanlagen überbaute landwirtschaftliche Fläche wird langfristig der agrarischen Nutzung entzogen. Zusätzlich kann weiterer Flächenbedarf für Ausgleichsmaßnahmen entstehen, auch dies fällt meist zu Lasten der landwirtschaftlichen Nutzung.

Im Jahr 2018 wurden etwa 807 Hektar (ha) Freifläche mit Photovoltaikanlagen bebaut - das entspricht über 1100 Fußballfeldern. Davon entfallen rund 449 ha auf vormals landwirtschaftlich genutzte Fläche. Ein Grund für den Anstieg der FFPV-Anlagen stellt die Länderöffnungsklausel aus der EEG-Novelle 2016/2017  dar. Seitdem können auch Ackerland, Wiesen und Weiden in benachteiligten Gebieten - sprich Standorte mit geringen Erträgen - für Photovoltaikanlagen genutzt werden, wenn diese Flächen von den jeweiligen Landesregierungen für den Bau von FFPV-Anlagen zugelassen werden. Einen weiteren Grund für den rasanten Ausbau machen die niedrigen Preise der Photovoltaikanlagen aus, die seit 2006 um etwa 75 Prozent gesunken sind. Damit ist die Solarstromvermarktung derzeit auch außerhalb von EEG-Vergütungen attraktiv und profitabel. Hinzu kommt die deutlich günstigere Stromherstellung im Vergleich zu Dachphotovoltaikanlagen.

Neben Preissteigerungen an Pacht- und Bodenmärkten, hat die aktuelle Entwicklung auch die Flächennutzungskonkurrenz verschärft. Im Zeitraum 2003-2006 sind die Pachtpreise für landwirtschaftliche Fläche um 65 Prozent gestiegen, die Kaufpreise sogar um 143 Prozent, die Tendenz ist weiter steigend. Zudem wird Acker- und Grünland zunehmend als Spekulationsobjekt betrachtet. Dabei kaufen private Unternehmen und Investor*innen landwirtschaftlich genutzte Flächen als Kapitalanlage auf. Zur Folge hat dies, dass nur etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Flächen auch in Besitz der Landwirte sind, welche diese Flächen bewirtschaften.

 (Max Trommsdorff / Wikimedia Commons )

Der Bau von sogenannten Agri-Photovoltaikanlagen (APV) könnte bei dieser Problematik der Flächenkonkurrenz einen entscheidenden Lösungsansatz bieten. Dabei wird die landwirtschaftliche Fläche neben der agrarischen Nutzung auch für die Erzeugung von Solarstrom genutzt, sodass durch Erzeugung von erneuerbarem Strom keine Acker- und Grünlandflächen verloren gehen. Unterschieden werden kann in drei Kategorien der APV:

  • Kategorie eins („Kultur“) umfasst den Anbau von Dauerkulturen, einjährigen oder mehrjährigen Kulturen, wie beispielsweise Obst, Wein, Gemüse aber auch übliches Ackerland.

  • Kategorie zwei bilden die Grünland APV-Anlagen und zu

  • Kategorie drei zählen die Gewächshäuser.

Neben einer erheblichen Steigerung der Landnutzungseffizienz - sprich der Gewinnbringung durch Doppelnutzung im Vergleich zu reiner Agrarnutzung oder reiner Photovoltaiknutzung - können APV-Anlagen auch als Schutzfunktion vor Hagel, Frost oder Dürre dienen. Beispielsweise wurde bei dem Anbau von Kartoffeln die Landnutzungseffizienz in Synergie mit Photovoltaik um bis zu 86 Prozent erhöht.  Ein weiterer Vorteil der Agri-Photovoltaikanlagen liegt in der Reduzierung des Bewässerungsbedarfes um bis zu 20 Prozent durch weniger Sonneneinstrahlung. Ebenso kann diese Art der Doppelnutzung zu einer Verminderung der Winderosion beitragen und die Lichtverfügbarkeit an die jeweilig angebauten Kulturpflanzen anpassen. Vor allem schattenliebende Pflanzen profitieren von dem Aufwuchs unter einer solchen APV-Anlage, sodass beispielsweise bei Salat der Biomasseertrag gesteigert werden kann.

Bei anderen Kulturen kann es allerdings auch zu einer Verminderung des Ernteertrages kommen. Für die betreibenden Landwirt*innen bildet eine APV-Anlage zudem ein weiteres wirtschaftliches Standbein. Auch kann der gewonnene erneuerbare Strom für den Eigenbedarf eines landwirtschaftlichen Betriebes genutzt werden, wie beispielsweise für die Produktverarbeitung oder Produktlagerung. Laut Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) würden vier Prozent des deutschen Ackerlandes ausreichen, um mit Hilfe der APV-Anlagen bilanziell den gesamten Strombedarf Deutschlands zu decken, das entspricht etwa 500 Gigawatt.  Nachteilig sind die deutlich höheren Stromentstehungskosten einer Agri-Photovoltaikanlage im Vergleich zu einer Freiflächen-Photovoltaikanlage.

In der deutschen Gesetzgebung ist derzeit keine duale Flächennutzung von Photovoltaik und Landwirtschaft vorgesehen, daher bietet auch das Erneuerbare Energien Gesetz bislang keine passende Vergütung an. Es wäre für die Zukunft allerdings denkbar, Agri-Photovoltaikanlagen sowohl über die EEG als auch über eine Nahrungsmittelsubventionierung zu fördern. Eine ausschließliche Subventionierung der Solarstromerzeugnisse könnte laut Experten zu Lasten der Biomasseproduktion ausfallen, sodass nur noch eine „Pseudolandwirtschaft“ betrieben werden würde, um Fördermittel zu beziehen. Wichtig wäre daher die Entwicklung einer gemeinsamen Förderpolitik beziehungsweise einer gemeinsamen Förderlinie.

Hinweis

Die Informationen zu planerischen und / oder rechtlichen Fragen wurden nach bestem Wissen und Gewissen zum Zeitpunkt der Entstehung (Juni 2021) auf ihre Korrektheit hin überprüft. Diese Informationen können und sollen aber nicht als „Rechtsberatung“ missverstanden werden.

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