BUND-Landesverband Schleswig-Holstein e.V.

Land schrumpft Gewässerschutz – werden die „roten Gebiete“ kleingerechnet?

24. November 2020 | Landwirtschaft, Flüsse & Gewässer, Landespolitik, Umweltgifte

Die neue Landesdüngeverordnung soll das Problem der nitratbelasteten Gewässer lösen. Durch eine neue Berechnungsmethode schrumpfen die belasteten Gebiete um 90 Prozent. Der BUND SH kritisiert, dass nicht klar kommuniziert wird, welche Daten in die neue Berechnungsgrundlage eingeflossen sind.

„So geht es nicht! Damit unser aus dem Grundwasser gewonnenes Trinkwasser unbelastet bleibt, muss das Verfahren transparent gestaltet werden. Trinkwasser ist schließlich das Lebensmittel Nummer Eins!“, moniert Martin Redepenning, Sprecher des Arbeitskreises Landwirtschaft im BUND Schleswig-Holstein (BUND SH). Wird zu viel Stickstoff aufgebracht, erreicht dieser umgewandelt als Nitrat den für die Trinkwasserversorgung obersten Grundwasserleiter. Nitrat in zu hoher Konzentration ist gesundheitsschädlich und kann sich zum krebserregenden Nitrit umwandeln. Schon lange müssen Trinkwasserversorger deshalb das Wasser verschneiden und ständig neue, tiefere Brunnen bohren, um nicht sehr aufwändig und teuer Nitrat aus dem Rohwasser zu entfernen.

Die Gebiete mit hoher Nitratbelastung – die sogenannten „roten Gebiete“ – machen in Schleswig-Holstein gegenwärtig 51 % der Landesfläche aus. Durch das neue Bewertungsverfahren, das durch die Novellierung der Düngeverordnung angesetzt wird, sind es wundersamer Weise nur noch 5-6 %. In der vom verantwortlichen Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) ausgewiesenen Karte fehlen jedoch die Daten und Ableitungen, die in die Auswertung eingeflossen sind. Obwohl die Landesdüngeverordnung zum neuen Jahr in Kraft treten soll, werden die notwendigen Daten zur Auswertung erst zum Ende 2020 der Öffentlichkeit bekanntgegeben.

Grundsätzlich begrüßt der BUND SH eine neue Berechnungsmethode, sofern sie transparent und wissenschaftlich abgesichert ist. Eine neue Methode könnte zum Beispiel stärker verursacherbezogene und somit gerechtere notwendige Düngeeinschränkungen reglementieren. Die neue Verfahrensweise zur Ausweisung der Gebiete mit hoher Nitratbelastung beruht auf einer neu anzuwendenden Methode, die allerdings noch in der wissenschaftlichen Erprobung ist und als kritisch bezüglich der weitreichenden Gebietsverkleinerungen zu bewerten sind. Ergänzend wäre eine Verfeinerung des Messstellennetzes, um den Verursachern der Verunreinigungen trennschärfer auf die Spur zu kommen. Dies wird jedoch aus Kostengründen bisher verweigert.

Eine neue Berechnungsmethode alleine ist allerdings nicht die Lösung, die Nitratbelastung des Grundwassers zu verringern. „Die auf landwirtschaftlichen Flächen aufgebrachten Gesamtmengen an Stickstoff- und Phosphor sind nach wie vor viel zu hoch“, merkt Redepenning an.

Schon 1991 hat die EU wegen zunehmender Belastung von Gewässern die Nitrat-Richtlinie erlassen. Die Mitgliedsstaaten sollen Oberflächen- und Grundwasser genau untersuchen und belastete Gebiete ermitteln, Minderungspläne erstellen und angepasste Maßnahmen umsetzten. Deutschland hat bis heute keine wirksamen Schritte ergriffen und so kam es im Juni 2018 zur Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof. Wenn eine erneute Anpassung nicht den Vorgaben entspricht, wird ein Bußgeld in Höhe von 857.000 Euro pro Tag fällig. Zur Urteilsverkündung erklärte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella: „Es besteht für die deutschen Behörden dringender Handlungsbedarf. Die Wasserqualität in Deutschland zeigt keine Anzeichen für Besserung. Die Qualität des Grundwassers in Deutschland gehört zu den schlechtesten in Europa.“ „Die Schäden mit unklaren Daten wegzurechnen wird die EU voraussichtlich nicht überzeugen, solange das Ergebnis weiterhin so katastrophal bleibt“, analysiert Ole Eggers, Geschäftsführer des BUND-Landesverbandes.

Die Phosphatbelastung der Oberflächengewässer in Schleswig-Holstein sind ein weiteres Problem. Der BUND SH kritisiert, dass die Landesregierung nicht der Bundesvorgabe folgt, diese auszuweisen. „Das ist eindeutig zu wenig reglementiert, nahezu alle Oberflächengewässer in Schleswig-Holstein sind nach der Wasserrahmenrichtlinie der EU zu hoch mit Phosphat belastet“, stellt Jürgen Leicher, Mitglied des Landesvorstands des Verbands, fest. Erhebliche Beeinträchtigungen der Wasserlebewesen sowie Algenblüten und ein „Umkippen“ von Gewässern sind Folge übermäßiger Düngefrachten. „Es sind kontinuierlich Gewässer-Messungen durchzuführen und aufgrund schon bekannter Belastungen müssen Gebiete ausgewiesen und angepasste Nährstoffeinschränkungen angeordnet werden“, fordert Leicher weiter, „Mindestens die bisherige Flächenausweisung, die sogenannte ‚Phosphat-Kulisse‘, sollte nach geltender Landesdüngeverordnung beibehalten werden.“

Primär stammen die zu hohen Stickstoff- und Phosphatfrachten aus der Landwirtschaft. Es wird zu viel Dünger ausgebracht. Das ist auch Folge einer zu großen Viehdichte in Regionen Schleswig-Holsteins. Der BUND SH fordert eine Anpassung der Nutztierbestände an die zugehörigen landwirtschaftlichen Betriebsflächen. Aus Sicht des Grundwasserschutzes und aus ökologischer Sicht darf der Tierbesatz eines Betriebes 2 Großvieheinheiten (z.B. 2 Rinder) pro Hektar der zugehörigen Flächen inklusive Pachtflächen nicht überschreiten.

Somit ist die vorgesehene Landesdüngeverordnung als ein Baustein eines Pakets zu verstehen, mit dem Deutschland versucht, die Anforderungen der EU nunmehr zu erfüllen. Der BUND SH hat jedoch begründete Zweifel daran, dass dieses Paket im Land zwischen den Meeren zum Erfolg führen wird. Der Verband fordert eine stärkere Ausrichtung der Landwirtschaft auf agrarökologische Methoden. Hier stehen Nährstoff-Ausbringung und Nährstoff-Bedarf der Kulturen im Gleichgewicht, so dass es nicht zu Grundwasserbelastungen kommt.

Kontakt
Martin Redepenning, Sprecher AK Landwirtschaft im BUND SH; E-Mail: sm.redepenning(at)posteo.de

Jürgen Leicher, Landwirtschaftsexperte und Mitglied im BUND Landesvorstand; E-Mail: juergen.leicher(at)posteo.de

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