BUND-Landesverband Schleswig-Holstein e.V.

Rattengifte

Warum bergen Rattengifte Risiken für viele Tierarten? Warum werden sie trotzdem angewendet? Wie können wir vorsorgen, um den Einsatz solcher Gifte möglichst zu verhindern?

Blutgerinnungshemmende Wirkstoffe in Rattengiften, die sogenannten Antikoagulanzien, erfordern eine genaue Betrachtung in Bezug auf Risiken für das Ökosystem und das Tierwohl. Im Rahmen der EU-weiten Wirkstoffbewertung wurden sehr hohe Risiken durch die Anwendung von Rattengiften mit Antikoagulanzien für Wildtiere festgestellt. Auch für Haustiere bergen Rattengiftköder ein erhebliches Risiko. Die meisten Antikoagulanzien sind auch für Wasserorganismen giftig und bauen sich in der Natur nur sehr langsam ab. Beim Menschen können durch versehentliches Verschlucken von Köderpräparaten oder bei Hautkontakt Zahnfleischbluten, starke Müdigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit, blutiges Erbrechen und blutiger Stuhlgang bis hin zu lebensbedrohlichen Hirnblutungen verursacht werden.

Langwieriger Gifttod

Antikoagulanzien wirken über die Hemmung der Blutgerinnung. Nach der Aufnahme in den Organismus führen sie zu inneren Blutungen oder dauerhaften Blutungen, die durch kleinste Verletzungen ausgelöst werden. Die Blutungen führen in Abhängigkeit vom eingesetzten Wirkstoff bei Ratten mit einer Zeitverzögerung von 48 Stunden bis 7 Tagen zum Tod durch Verbluten. Das leidvoll lange Sterben der Tiere durch die mit Antikoagulanzien versehenen Fraßköder wird bewusst in Kauf genommen, denn die Zeitverzögerung sorgt dafür, dass Ratten trotz ihres vorsichtigen Verhaltens bei der Nahrungssuche keinen direkten Zusammenhang zwischen den Ködern und dem Tod von vorkostenden Artgenossen herstellen können und damit auch keine Köderscheu entwickeln. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass die Köder von vielen oder allen Individuen eines Nestes oder einer Population angenommen werden.

Im Detail

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Strenge Vorschriften für Bio-Lebensmittel

Mittel, die teilweise genehmigungspflichtig in der Nahrungsmittelindustrie bei der Begasung lagernder Lebensmittel eingesetzt werden, sind starke Nerven- und Stoffwechselgifte auf Phosphin(Monophosphan)-Basis. Diese führen schnell zum Tod der Tiere und bauen sich in verhältnismäßig kurzen Zeiträumen ab.

In der ökologischen Landwirtschaft ist die Anwendung von Phosphin gemäß EU-Ökoverordnung (EG) Nr. 834/2007 nicht erlaubt und Bio-Lebensmittel dürfen keine nachweisbaren Rückstände enthalten. 

Ratten – nützliche Schädlinge

Auch wenn Ratten der Wissenschaft gute Gehilfen sind und ca. 400.000 bis 500.000 Tiere pro Jahr für Versuche herangezogen werden, sind wild lebende Tiere in Menschennähe äußerst unwillkommen. Durch Ratten können Krankheiten an Menschen übertragen werden. In der Vergangenheit sind die Nagetiere insbesondere durch die Übertragung von Salmonellen und der Pest in Verruf geraten. Hinzu kommt die Intelligenz und die Anpassungsfähigkeit der Tiere und ihre Fähigkeit in kurzer Zeit starke Populationen aufzubauen. Der Wurf einer Ratte kann über 20 Jungtiere umfassen. Wo Menschen sind, finden Ratten häufig gute Nahrungsquellen und günstige Bedingungen für den Nestbau, wodurch die Dichte der Rattenpopulationen schnell für den Mensch problematisch werden kann. Hinzu kommt, dass Ratten beim Verhalten anpassungsfähig sind, fast alles als Nahrung verwerten können und gute Fähigkeiten bei der Ausbildung von Resistenzen – z.B. gegen Giftstoffe – aufweisen.

Auch für Nagetiere gilt der Artenschutz

Nur für wenige Arten gelten Ausnahmen vom Artenschutz. Die potenzielle Rolle als Krankheitsüberträger hat für die Arten Wanderratte (Rattus norvegicus) und Hausratte (Rattus rattus) die Ausnahme von dem eigentlich für alle Säugetiere durch die Bundesartenschutzverortung (BArtSchV) aufgespannten besonderen Schutz nach sich gezogen. Ohne diese Ausnahmeregelung wäre jede Bekämpfungsmaßnahme grundsätzlich genehmigungspflichtig. Auch bei Mäusen sind es nur spezielle Arten, die von der Schutzregelung ausgenommen sind. So ist es beispielsweise verboten, ohne Genehmigung gegen Wald- oder Spitzmäuse vorzugehen.

Einsatz vieler Produkte nur durch Sachkundige

Viele Produkte dürfen nur von sachkundigem Fachpersonal gekauft und ausgebracht werden. Seit 2013 regelt eine EU-Verordnung, dass Präparate zur Rattenbekämpfung, die vor 2013 gekauft wurden, nicht mehr eingesetzt werden dürfen. An Privatpersonen dürfen nur noch Präparate auf Warfarin-Basis verkauft werden. Die Bekämpfung von Ratten mit anderen Wirkstoffen als Warfarin ist seit 2013 nur noch rechtens, wenn sie von sachkundigem bzw. geschultem Fachpersonal durchgeführt wird. Warfarin gehört zu den Antikoagulanzien der ersten Generation und der Kauf und die Ausbringung von Warfarin ist für Privatpersonen eingeschränkt zulässig. Außerhalb von Innenräumen und ohne direkten Kontakt zu einer Gebäudeaußenwand dürfen Köderboxen nur durch sachkundiges bzw. geschultes Personal aufgestellt werden. Jede Ausbringung von Rodentiziden ist außerdem an die Einhaltung der guten fachlichen Anwendung (GfA) gebunden. Die „Allgemeinen Kriterien einer guten fachlichen Anwendung von Fraßködern bei der Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien“ ist eine Voraussetzung für die Zulassung und muss in der Gebrauchsanweisung enthalten sein. Unter anderem muss in jedem Fall sichergestellt werden, dass durch spezielle, für andere Tierarten unzugängliche Köderboxen ausschließlich Ratten die Möglichkeit haben, an den Köder zu gelangen. Auch einer Kontamination des Bodens mit den Giftstoffen muss Vorsorge geleistet werden. Die Auslagestelle ist durch im Umfeld gut sichtbare Schilder zu kennzeichnen.

Rechtslage: Die Biozid-Verordnung

Seit dem 01. September 2013 gilt die neue Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012. Seit 2003 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission alle drei Jahre einen Bericht, in dem Informationen über alle Vergiftungsfälle im Zusammenhang mit Biozid-Produkten aufgeführt sind.

Das Umweltbundesamt setzt sich darüber hinaus dafür ein, dass die EU-Rahmenrichtlinie 2009/128/EG zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden auch auf Biozide ausgeweitet wird.

Im Handel sind zugelassene Biozid-Produkte an der Zulassungsnummer, die mit „DE-20 […]“ beginnt und das Jahr der Zulassung enthält, zu erkennen. Eine Übersicht über die bisher in Deutschland zugelassenen Biozid-Produkte findet man auf der Webseite der BAuA.

Jägern und Aasfressern drohen Sekundärvergiftungen

Mit der langen Wirkdauer von Rattengift geht auch einher, dass die Wirkstoffe lange im Körper der Ratte verbleiben und nur langsam abgebaut werden. Von einer Ratte, die den Wirkstoff aufgenommen hat, geht für andere Tiere ein erhebliches Risiko für eine Sekundärvergiftung aus. Das gilt insbesondere für die Antikoagulanzien der zweiten Generation, die eine deutlich höhere Toxizität im Vergleich mit Wirkstoffen der ersten Generation aufweisen. Von Sekundärvergiftungen können Jäger wie Mäusebussard oder Wiesel betroffen sein, die eine noch lebende, agile aber schon mit einer letalen Dosis eines Rattengiftes belastete Ratte fressen. Wird die Ratte erst nach dem Eintreten der tödlichen Wirkung des Giftköders von Aasfressern gefunden, können auch diese noch Sekundärvergiftungen erleiden. Das Risiko für Sekundärvergiftungen besteht auch, wenn ein Köder vorschriftsgemäß unzugänglich für andere Tiere in einer geeigneten Köderbox ausgebracht wurde.

Vorbeugen statt Gifteinsatz

In einem intakten biologischen Umfeld werden Schädlingspopulationen durch Jäger wie Wiesel, Mäusebussard, Turmfalke und Schleiereule reguliert. Diese Jäger können wir unterstützen:

  • Ansitze in ausgeräumten Landschaften aufstellen
  • Nisthilfen an geeigneten Stellen schaffen (z.B. in alten Scheunen)

Ein Nagetier wird erst zum "Schädling", wenn es bei seiner Suche nach Futter in der Nähe von Menschen fündig wird und an der neuen Nahrungsquelle siedelt. Einfache und wirkungsvolle Vorsorge besteht darin:

  • Möglichst alle potentiellen Nahrungsquellen unzugänglich zu machen: Lebensmittel, Tierfutter, Biomüll, Kompost, Wasser, überfüllte Mülltonnen und Vogelfutterstellen mit ihrem „Streuradius“
  • Spalten oder Löcher, die als Zugänge zu Innenbereichen von Gebäuden dienen können, möglichst zu verschließen.
  • Eine kurz gehaltene Vegetation bietet ein schlechtes Versteck vor Räubern und lädt nicht zum Verweilen ein.
  • Auch das Angebot von Unterschlupfmöglichkeiten, die sich zum Beispiel in offen gelagertem Unrat ergeben können, kann minimiert werden.
  • Etwas mehr Aufwand und ein gezielteres Vorgehen erfordert das Installieren von: Drahtkörben um Wurzeln und bodennahe Pflanzenteile; Drahtzäunen um Gartenbereiche; vertreibenden Abwehrmitteln
  • Den meisten Schall- oder Vibrationsgeneratoren und leider auch den meisten Hausmitteln kann nur eine unzureichende Wirkung bescheinigt werden.     

Erhebliche Umweltrisiken

Dass die Wirkstoffe der Rattengifte ökologisch problematisch sind, zeigt sich schon in den Zulassungsverfahren. Laut der dort erfolgten Bewertung, geht von Antikoagulanzien ein hohes Risiko für Nicht-Zielorganismen und die Umwelt aus. Eigentlich ist das eine Bewertung, die eine Zulassung zur Verwendung als Biozid durch die EU verhindern würde. In Deutschland erfolgt die konsequente Bewertung aller biozid-wirksamen Stoffe in Bezug auf die von ihnen ausgehenden Risiken für Mensch und Umwelt erst seit einer EU-Entscheidung von 2003. Im Rahmen dieser Bewertung wurden für Rattengifte mit blutgerinnungshemmenden Wirkstoffen erhebliche Umweltrisiken und Risiken der Resistenzentwicklung festgestellt.

Die Zulassungen dieser Wirkstoffe erfolgen daher mit dem Verweis auf den Mangel an einer wirksamen Alternative und der Unabdingbarkeit einer wirksamen Nagetierbekämpfung für den Infektionsschutz. Diese Bewertung begründet auch die Kürzungen der Zulassungszeiträume von 10 Jahren auf 5 Jahre. Die Zulassung ist an weitere strenge Auflagen wie die Einhaltung der „Allgemeine Kriterien einer guten fachlichen Anwendung von Fraßködern bei der Nagetierbekämpfung mit Antikoagulanzien (kurz: GfA)“ gekoppelt.

Antikoagulanzien der zweiten Generation dürfen nicht an Privatpersonen verkauft werden und dürfen auch von Personen ohne entsprechende Ausbildungsnachweise nicht ausgebracht werden. Diese Wirkstoffe sind in der Gruppe der sogenannten PBT-Stoffe. Darunter werden Gifte verstanden, die in der Umwelt nur sehr schlecht abgebaut werden und sich daher auch in Lebewesen anreichern können. Sie sind als potentiell persistent (P), bioakkumulierend (B) und toxisch (T) (PBT) eingestuft.  

Ältere Produkte die zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen bis etwa 1950 verkauft wurden, dürfen heute nicht mehr verwendet werden und müssen als Sondermüll entsorgt werden. Diese Altgifte enthalten Arsenverbindungen, Bariumcarbonat, Strychnin oder Weißen Phosphor. Weitere Informationen zum Umgang mit diesen Gefahrenstoffen hält die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bereit.

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