BUND-Landesverband Schleswig-Holstein e.V.

Neustädter Binnenwasser

Naturschutzgebiet Neustädter Binnenwasser

Das Neustädter Binnenwasser ist ein Teil der ostholsteinischen Jungmoränenlandschaft. Diese reich gegliederte Landschaft wurde durch die Eiszeit ausgeformt. Die nach Norden zurückweichenden Gletscher hinterließen einen Eisstausee, der später durch die „Neustädter Rinne“, in der heute der Hafen liegt, zur Ostsee abfloss. Als Jahrhunderte später der Wasserspiegel der Ostsee anstieg, drang Ostseewasser in das inzwischen verlandete und vermoorte Becken ein und bildete das heutige Binnenwasser. Umfasst wird diese Niederung von Moränenketten und -hügeln, zu denen auch eine bewaldete Erhebung inmitten des Gebietes gehört, die heute als „Burg“ bezeichnet wird.

Bereits im frühen Mittelalter hinterließen Menschen an dieser Stelle erste Spuren: Heute noch sichtbare Reste eines alten Ringwalls lassen sich auf slawische Siedler zurückführen. Nach dieser frühen Siedlungsperiode wurde das Gebiet zunächst von der Natur zurückerobert und auf der Geländeerhebung entstand ein Laubwald.

Erst in der Neuzeit griff der Mensch erneut in die Landschaft ein, um neue Nahrungsquellen zur Ernährung der Bevölkerung zu erschließen. Durch den Bau zahlreicher heute noch sichtbarer Entwässerungsgräben wurden die ans Binnenwasser grenzenden, sumpfigen Flächen nach und nach trocken gelegt und in Weideland umgewandelt; das flache und artenreiche Binnenwasser wird bis heute zum Fischfang genutzt. Der Bau der Eisenbahnlinie nach Puttgarden zerschnitt das Binnenwasser in zwei Wasserflächen, die heute als Haupt- und Anstaltswasser bezeichnet werden und nur noch durch einen schmalen Durchstich miteinander verbunden sind. Mit Errichtung der Autobahn wurden auch flache Gewässerbereiche des Anstaltswassers über Pumpwerke entwässert und landwirtschaftlich nutzbar gemacht; nachwachsendes Landschilf wurde im Winter geschnitten und als „Reet“ zur Eindeckung von Dächern verwendet.

Darüber hinaus diente das Binnenwasser über Jahrhunderte zur Aufnahme von Abwässern aus Landwirtschaft und menschlichen Siedlungen. Dies hatte eine starke Überdüngung des Gewässers, massenhaftes Pflanzenwachstum und Rückgang der Fischbestände zur Folge. Erst mit Errichtung des Neustädter Klärwerks in seiner heutigen Ausbaustufe wurde eine langsame Erholung der Wasserqualität im Binnenwasser eingeleitet; dabei spielen bis heute auch die natürlichen Zuflüsse die „Kremper Au“ und der „Lachsbach“ eine Rolle, die nicht zu unterschätzen sind.

Infolge der vielfältigen menschlichen Nutzung entstanden am Binnenwasser strukturreiche Flächen, die mit zunehmender Industrialisierung der Landwirtschaft zwar an wirtschaftlicher Bedeutung verloren, infolge der abnehmenden Nutzung jedoch vielfältige neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere boten. Im Jahr 1984 wurde das Binnenwasser zum Schutz seiner ebenso besonderen wie artenreichen Flora und Fauna als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Das heutige Schutzgebiet umfasst den größten Teil des Binnenwassers mit seiner vielgestaltigen Uferzone, den angrenzenden Brackwasserröhrichten und Salzwiesen sowie dem höher gelegenen, von Süßwasser geprägten Grünland. Der Laubwald auf der „Burg“ wird heute nur noch in geringem Maße genutzt und zeigt eine naturnahe Entwicklung.

Zum Erhalt der Salzwiesen und des angrenzenden Dauergrünlandes wird heute eine extensive Weidewirtschaft betrieben. Auf dem Teil westlich der Bahnlinie werden dazu ganzjährig im Freien lebende Robustrinder eingesetzt, die eine großräumige, halboffene Weidelandschaft gestalten sollen. Die Entwässerung der Flächen wird derweil schrittweise verringert; in der Folge sind an den Tiefpunkten der Niederung erste neue Flachwasserbereiche entstanden.

Fauna

Das Neustädter Binnenwasser ist für Vögel in verschiedener Hinsicht bedeutsam: Es dient als Rast- und Überwinterungsgebiet, als Nahrungsquelle und als Bruthabitat.

Die größten Ansammlungen sind während des Vogelzuges in den Herbst- und Frühlingsmonaten zu beobachten, wenn tausende von Wat- und Wasservögeln das Binnenwasser zur Rast aufsuchen. Bei niedrigen Wasserständen können Limikolen wie Alpenstrandläufer, Sanderlinge und Grünschenkel, aber auch Bekassinen, Fluss- und Sandregenpfeifer auf freien Schlickflächen und Sandbänken beobachtet werden; an den Ufern sind neben ruhenden Möwen, Kormoranen und Kiebitzen gelegentlich auch Pfuhlschnepfen und Große Brachvögel zu entdecken. Auf den Salzwiesen rasten vor allem Kanada-, Grau-, Bläss- und Saatgänse, aber auch Schwärme von Staren, Bach- und Schafstelzen finden hier reichlich Nahrung. Die offenen Wasserflächen dienen hunderten von Blässrallen, Reiher- und Tafelenten zur Nahrungssuche, aber auch Zwerg- und Haubentaucher, Mittelsäger, Höckerschwäne, Stock-, Schnatter-, Löffel- Krick- und Pfeifenten bilden große Trupps, um sich für den Weiterzug zu stärken oder für einige Monate am Binnenwasser zu verweilen.

So verbringen viele Wasservögel – unter ihnen zahlreiche Kurzstreckenzieher aus Nordeuropa, vor allem Gänse- und Zwergsäger, Schell-, Tafel- und Bergenten, gelegentlich aber auch einzelne Singschwäne – die Wintermonate im Gebiet. So lange die Wasseroberfläche nicht zufriert, bietet das Gewässer ein reiches Nahrungsangebot an Fischen, Krebstieren, Mollusken, Algen und Wasserpflanzen, was es ganzjährig für Nahrungsgäste wie Kormorane, Grau- und Silberreiher, aber auch für die seltenen Seeadler attraktiv macht, die im Umland brüten und regelmäßig am Binnenwasser auf die Jagd gehen.

Andere Arten finden am Binnenwasser einen geeigneten Platz zur Aufzucht ihrer Jungen. Zu den regelmäßigen Brutvögeln gehören Grau- und Brandgänse, Mittelsänger, Haubentaucher, Höckerschwäne, Blässrallen und verschiedene Enten. Auch Austernfischer, Rotschenkel und Kiebitze ziehen auf den Salzwiesen ihren Nachwuchs groß. In den Schilfzonen verstecken Rohrsänger ihr Nest, die Rohrweihe brütet dort. Mit etwas Glück und Geduld können auch Eisvögel, Neuntöter, Wiesenpieper, Schwarz- und Braunkehlchen am Binnenwasser und den angrenzenden Staudenfluren beim Füttern ihrer Jungen beobachtet werden. 

Flora

Die charakteristischen Lebensräume am Binnenwasser werden vom Brackwasser geprägt, das durch die Vermischung von Süßwasser aus zufließenden Bächen mit dem eingespültem Meerwasser der Ostsee entsteht. Die vom Salzgehalt des Meerwassers beeinflussten Böden der Uferzonen bilden einen besonderen Lebensraum für spezialisierte Pflanzengesellschaften, die an der dicht besiedelten Ostseeküste Schleswig-Holsteins sehr selten geworden sind und besonderer Schutzmaßnahmen bedürfen.

In Röhrichten und an Grabenrändern, aber auch auf extensiv beweideten Salzrasen leuchten im Spätsommer weithin sichtbar die violetten Blüten der Salzaster, einer typischen Pflanze salzwasserbeeinflusster Standorte. Andere bemerkenswerte Pflanzen dieser Lebensräume sind weniger auffällig und an besondere Standorte gebunden; hierzu zählen Lachenals Wasserfenchel, Kümmel-Silge, Echter Sellerie und Salz-Bunge, sowie – zwar unscheinbar, jedoch eine botanische Kostbarkeit – das Feine Hasenohr.

Häufig überflutete Bereiche in Ufernähe sind oft frei von Vegetation oder weisen Pioniergesellschaften mit Queller, Salz-Schuppenmiere und Laugenblume auf, die bereichsweise in Andelrasen übergehen. Die vielfältigen Binsen- und Simsenriede in Gräben und feuchten Senken weisen Vorkommen von Salz-Teichsimse, Strandsegge und Zusammengedrückter Quellbinse auf.

In den flachen Brackwasserzonen gedeihen einige küstentypische Wasserpflanzen: Meeres-Salde und Teichfaden siedeln im Bodensediment der Uferzonen, und im Sommer entwickelt sich der Meersalat Ulva lactuca – eine Meeresalge – im sonnenbeschienenen Flachwasser.

Inmitten der Salzwiesen bildet der alte, totholzreiche Wald auf der „Burginsel“ einen Lebensraum vollkommen anderen Charakters, der von einer artenreichen Krautschicht unter hohen Bäumen geprägt wird. Im Frühjahr ist der Wald mit zahlreichen blühenden Pflanzen ein Erlebnis: Gelbstern, Hohler und Mittlerer Lerchensporn, Weiße und Gelbe Buschwindröschen fügen sich zu einem farbenprächtigen Bild. Wenige Wochen später folgen Schuppenwurz, Große Sternmiere, Maiglöckchen und Wolliger Hahnenfuß. Als bemerkenswerteste Pflanzen finden sich Färberscharte, Kammwachtelweizen und Teufelsabbiss am sonnigen Waldrand ein. 

Schutzsituation

Das Neustädter Binnenwasser steht nicht nur nach nationalem Recht unter Naturschutz, sondern ist seit 1992 auch der Europäischen Kommission als Vogelschutzgebiet gemeldet. Darüber hinaus zählt das Binnenwasser seit 2007 zum Netzwerk besonderer europäischer Schutzgebiete „Natura 2000“ und unterliegt damit dem gesetzlichen Verschlechterungsverbot nach „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ der Europäischen Union.

Durch die Einführung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 muss das Binnenwasser zudem in einen guten Gewässerzustand gebracht werden – einschließlich der zuführenden Fließgewässer "Lachsbach" und "Kremper Au". Erste Schritte zu deren Renaturierung sind bereits erfolgt, über eine mögliche Rückverlegung der kanalisierten Lachsbachmündung in das natürliche Bett wird bereits nachgedacht.

Seit 2012 beschreibt ein Managementplan die Ziele für die Erhaltung und Entwicklung der zu schützenden Lebensräume. 

Öffentlichkeitsarbeit

Das Neustädter Binnenwasser (Faltblatt) wird von der BUND-Kreisgruppe Ostholstein betreut. Die artenreiche Flora und Fauna des Gebietes wird von den Betreuer*innen des Schutzgebiets über das ganze Jahr hinweg beobachtet und regelmäßig dokumentiert.

Der interessierten Öffentlichkeit werden darüber hinaus unregelmäßig naturkundliche Führungen angeboten, die in der örtlichen Presse angekündigt werden.

Weitere Informationen finden sich auf der Seite des BUND Ostholstein.

Eckdaten

  • Größe: 285 Hektar
  • Ausweisung: 31.12.1984 

Ansprechpartnerin

Irene Timmermann-Trosiener


E-Mail schreiben Mobil: 01573 1401274

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