Mooratlas 2023: BUND Schleswig-Holstein weist auf weltweite Bedeutung des Moor-Klimaschutzes hin

11. Januar 2023 | Moore, Klimawandel, Flüsse & Gewässer, Landwirtschaft

Berlin / Greifswald / Kiel. Die Trockenlegung von Mooren ist mit über zwei Milliarden Tonnen CO2 für rund vier Prozent aller menschengemachten Emissionen verantwortlich.

Sonnentau Sonnentau  (Christof Martin)

Das stellt der am 10. Januar von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Michael Succow Stiftung, Partner im Greifswald Moor Centrum, veröffentlichte „Mooratlas 2023 – Daten und Fakten zu nassen Klimaschützern“ fest. Für die Klimakrise und das Artensterben wirkt die fortschreitende Moorzerstörung wie ein Brandbeschleuniger.

„In Schleswig-Holstein, einem der moorreichen Bundesländer, existieren nur noch 17.500 Hektar naturnahe Moore. Bei einer Gesamtfläche an organischen Böden von 180.000 Hektar ist dies extrem wenig. Viel zu lange wurden die Moore trockengelegt. In Schleswig-Holstein verursachen entwässerte Moore jedes Jahr etwa 16 Prozent der gesamten in Schleswig-Holstein verursachten Treibhausgas-Emissionen. Das ist etwa doppelt so viel wie der Bundesdurchschnitt“, so Bini Schlamann, Agrar- und Biodiversitätsreferentin des BUND Landesverbands Schleswig-Holstein . „Wir brauchen die intakten Moore in Schleswig-Holstein wieder. Moorböden müssen wiedervernässt werden. Denn intakte Moore nutzen dem Wasserhaushalt, dem Klima und der Biodiversität gleichermaßen.   Schleswig-Holstein muss hier mit gutem Vorbild vorangehen – bundes- aber auch weltweit!“

Bereits jetzt sind laut „Mooratlas“ weltweit über zehn Prozent der 500 Millionen Hektar Moore entwässert, in Mitteleuropa weit über 90 Prozent. Jedes Jahr kommen weitere 500.000 Hektar zerstörte Moore hinzu, damit gehen ihre Torfschichten zehnmal schneller verloren als sie in intakten Mooren wachsen. Haupttreiber der globalen Moorzerstörung seien die Land- und Forstwirtschaft, die neben der Entwässerung für Acker-, Forst- und Grünlandflächen in Europa auch beispielsweise in Südost-Asien für die Abholzung und Trockenlegung von Moorregenwäldern für Palmölplantagen verantwortlich sei. Das beschleunige nicht nur das Artensterben, sondern befeuere auch die Klimakrise. Denn obwohl Moore weltweit nur drei Prozent des Landes bedeckten, speicherten sie etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie in der Biomasse aller Wälder der Erde zusammen, die mit 27 Prozent fast ein Drittel der Landfläche ausmachen.

Dr. Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung: „Die weltweite Entwässerung von Mooren verursacht deutlich mehr CO 2-Emissionen als der globale Flugverkehr. In Deutschland sind trockengelegte Moore für etwa sieben Prozent aller Treibhausgasemissionen, in der Landwirtschaft sogar für über 37 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich. Bei den weltweiten Emissionen aus entwässerten Mooren liegt die EU mit knapp 12 Prozent neben Russland mit ebenfalls knapp 12 und Indonesien mit 34,4 Prozent auf einer der drei Spitzenpositionen. Dabei stehen wir in Europa auch als industrielle Nachfrager für die in anderen Regionen der Welt auf zerstörten Moorregenwaldflächen produzierten Güter wie Hölzer, Zellstoff oder Palmöl in der Verantwortung“, so Scholz. „Um das im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarte 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, müssen bis 2050 die globalen Netto-Emissionen auf null gesenkt werden. Dafür werden insbesondere auch intakte Moore als Senken benötigt. In Zahlen und Fläche bedeutet das: In der Europäischen Union müssen 500.000 Hektar, weltweit sogar zwei Millionen Hektar pro Jahr wiedervernässt werden. Intakte Moor-Ökosysteme können auch weltweit erhalten bleiben, wenn es gelingt, effektive und überprüfbare Schutzmaßnahmen gegen Übernutzung und Zerstörung zu treffen. Dazu gehört auch, unseren Verbrauch von Rohstoffen von entwässerten Moorregenwäldern zu reduzieren und in einer effektiven Lieferkettenverfolgung verbindlich auf Moor- und somit auch Klimaschutz zu zertifizieren. Darüber hinaus brauchen wir neben existierenden Übereinkommen wie der Ramsar-Konvention nun schnellstmöglich auch internationale Abkommen zum Schutz und der Wiederherstellung von Mooren, die sowohl die unkontrollierte Übernutzung beenden wie auch den Erhalt, die Restaurierung und die nachhaltige Bewirtschaftung von Mooren weltweit rechtsverbindlich festlegen. Die Klimakrise hat hier den Handlungsdruck dramatisch erhöht“, so Scholz weiter.

Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Moore sind entscheidend für Klima- wie auch Biodiversitätsschutz und schützen unser Wasser. Bis heute legen wir sie aber trocken und sorgen für ein rasantes Artensterben und Treibhausgasemissionen, die die Klimakrise anheizen. Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz der Bundesregierung können wir nun trockengelegte Moore wiedervernässen. Das wird eine Kraftanstrengung für die Bäuerinnen und Bauern. Wir müssen nun Wege finden, damit der Schutz von Mooren, Klima und Arten dauerhaft passiert. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz und die Agrarpolitik wirksam miteinander kombiniert werden. Einerseits braucht es einer Honorierung der Landwirtinnen und Landwirte, wenn sie wiedervernässte Moorflächen bewirtschaften. Andererseits brauchen wir eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Wiedervernässungs- und Naturschutzmaßnahmen.“

Jan Peters, Geschäftsführer der Michael Succow Stiftung, Partner im Greifswald Moor Centrum: „In Deutschland sind weit über 90 Prozent der Moore bereits trockengelegt und geschädigt. Um die globalen Klimaziele zu erreichen, müssen in Deutschland jährlich mindestens 50.000 Hektar Moorböden wiedervernässt werden – eine Fläche fast so groß wie der Bodensee. Vergleichbar ist diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe in ihrer finanziellen und politischen Dimension mit dem Kohleausstieg. Die von der Bundesregierung verabschiedete Moorschutzstrategie und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) sind erste wichtige Schritte für den Moor-Klimaschutz. Bei jährlichen Emissionen von 53 Millionen Tonnen CO 2-Äquivalenten aus entwässerten Mooren in Deutschland – immerhin über sieben Prozent der Gesamtemissionen – ist die vorgesehene Reduktion von lediglich fünf Millionen Tonnen pro Jahr bis 2030, also weniger als zehn Prozent der jetzigen Moor-Emissionen, nicht ambitioniert genug – wenn gleichzeitig die Volkswirtschaft 65 Prozent einsparen muss. Ein Umdenken zum Umgang mit Mooren muss in der gesamten Gesellschaft stattfinden, auch die Wirtschaft sollte die Potenziale erkennen. Klimaleistungen aus nasser Landwirtschaft auf Moor oder innovative Produkte „nasser Biomasse“ müssen anerkannt und attraktiv finanziell unterstützt werden. Das Vertrauen auf Freiwilligkeit allein reicht mittelfristig nicht aus. Daher muss die Politik entschieden, konkret und transparent Rahmenbedingungen richtig setzen und alle Akteurinnen und Akteure zu einem schnellen und praktischen Handeln ermutigen.“

Der Mooratlas 2023 beleuchtet auf 50 Seiten und mit 52 Illustrationen nicht nur die Geschichte der Moore, ihre Bedeutung als einzigartige Lebensräume für das weltweite Klima und die Biodiversität sowie ihre Zerstörung mit lokalen und globalen Folgen. Er erklärt auch, wie wir Moore schützen und ihre Funktionsfähigkeit wiederherstellen können. Er zeigt die Potenziale nasser Moore für den Klimaschutz und Chancen für ihre nasse Nutzung, der Paludikultur, und zugleich, wie Politik und Gesellschaft jetzt handeln können.

Weitere Informationen
Der Mooratlas 2023 steht zum Download bereit unter

www.boell.de/mooratlas
www.bund.net/mooratlas
www.succow-stiftung.de/mooratlas
www.greifswaldmoor.de/mooratlas

Der Atlas kann für Unterrichtszwecke auch klassensatzweise bei der Heinrich-Böll-Stiftung bestellt werden.

Bilder
Fotograf/Quelle: Christof Martin

Kontakt
Heinrich-Böll-Stiftung:
Michael Alvarez, Pressesprecher Heinrich-Böll-Stiftung, Tel.: 030-28534-202, E-Mail: alvarez(at)boell.dewww.boell.de

BUND:
Matthias Meißner, Abteilungsleiter Biodiversität, E-Mail: matthias.meissner(at)bund.net   bzw. BUND-Pressestelle: presse(at)bund.net

Michael Succow Stiftung, Partner im Greifswald Moor Centrum:
Nina Körner, Kommunikation/Medienanfragen, Tel.: 03834 8354218, E-Mail: nina.koerner(at)succow-stiftung.de, www.succow-stiftung.de

Kontakt für weitere Informationen
Ole Eggers
BUND Landesgeschäftsführer
Tel. 0178 635 07 19
Mail: ole.eggers(at)bund-sh.de

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