Riga. „Proud past – promising future“ – Eine stolze Vergangenheit und eine vielversprechende Zukunft – das ist das Motto, das sich die Helsinki Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseeraums (HELCOM) zu ihrem 50-jährigen Jubiläum, das heute in Riga gefeiert wird, gegeben hat. Auch Deutschland ist als ein Anrainerstaat Teil des Übereinkommens. Bundesumweltministerin Steffi Lemke und der schleswig-holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt nehmen in Riga teil. Die Naturschutzverbände BUND und NABU engagieren sich gemeinsam über das Netzwerk „Coalition Clean Baltic“ (CCB) für einen wirksamen Ostseeschutz.
Aber ist das Jubiläum ein Grund zum Feiern? Ja, weil sich die Ostseeanrainer gemeinsam für die Ostsee verantwortlich fühlen. Aber leider auch nein, weil der im Oktober 2023 von HELCOM veröffentlichte Zustandsbericht der Ostsee zeigt, dass das empfindliche Ökosystem Ostsee in keinem guten Zustand ist. „Grund dafür sind menschliche Aktivitäten wie zum Beispiel Fischerei, jahrzehntelange Nähr- und Schadstoffeinträge aus Landwirtschaft und Industrie sowie die Folgen des Klimawandels, die in der Ostsee besonders stark messbar sind,“ so Bettina Taylor, BUND Ostseeexpertin und Vorsitzende von Coalition Clean Baltic. „Meeresschutzgebiete, die echte Rückzugsräume für Meerestiere und deren Lebensräume darstellen, gibt es auch in der Ostsee noch viel zu selten.”
Bei der letzten HELCOM Ministerkonferenz 2021 in Lübeck beschlossen die Vertragsstaaten – damals unter deutschem Vorsitz - einen neuen Ostseeaktionsplan mit knapp 200 Maßnahmen zur Rettung des Meeres. Doch 3 Jahre nach Beschluss sind bisher wenige Maßnahmen umgesetzt worden. Deutschland und insbesondere die Küstenbundesländer müssen dazu aktiv werden. Mit der Ankündigung eines „Aktionsplans Ostseeschutz 2030“ geht Schleswig-Holstein einen wichtigen Schritt, will 12,5 Prozent seiner Küstengewässer „streng“ schützen. Laut EU-Kommission müssen hier alle Aktivitäten ausgeschlossen werden, die der Meeresnatur schaden und den Schutzgebietszielen zuwiderlaufen. Das heißt: keine Fischerei, kein Rohstoffabbau, streng regulierte Schifffahrt sowie keine erheblichen direkten Störungen. An diesen Zielen der europäischen Biodiversitätsstrategie müssen sich Schleswig-Holstein, aber auch Mecklenburg-Vorpommern sowie die Bundesregierung messen lassen.
Leider hat Schleswig-Holstein die Chance auf einen Nationalpark Ostsee ungenutzt verstreichen lassen. „Umso wichtiger ist es jetzt, den kürzlich vorgestellten Aktionsplan möglichst zielstrebig und ohne weitere Kompromisse umzusetzen!", fordert Stefanie Sudhaus, Meeresschutzreferentin des BUND in Schleswig-Holstein.
„Keinesfalls darf auch dieser Aktionsplan zu einer Farce werden, das kann sich die Ostsee nicht mehr leisten."
„Für wichtige Arten und Lebensräume sind die Kipp-Punkte längst erreicht, teilweise sogar überschritten. Die HELCOM-Vertragspartner müssen jetzt liefern. Ineffiziente Vereinbarungen auf rein freiwilliger Basis, wie sie in Schleswig-Holstein zum vermeintlichen Schutz von Schweinswalen, Seevögeln sowie Gewässern noch heute Usus sind, müssen schnellstens Verbindlichkeit erlangen“, ergänzt Dagmar Struß von der NABU-Landesstelle Ostseeschutz SH. Zwar beteilige sich der NABU auch an Forschungsprojekten zur Entwicklung beinfangvermeidender Fanggeräte, doch überfällig sind Verbote für die für viele Tiere unsichtbaren und tödlichen Netzwände in Schutzgebieten.
„Es war und ist auch in Zukunft notwendig, für den Schutz der Ostsee mit den Anrainerstaaten zusammenzuarbeiten. Der Beitrag Mecklenburg-Vorpommerns reicht jedoch bei weitem nicht aus. Ernsthafte Schutzmaßnahmen sind erforderlich, um das gefährdete Meer vor unserer Haustür nicht weiter zum Industriegebiet verkommen zu lassen”, fordert Dr. Rica Münchberger vom NABU Mecklenburg-Vorpommern.
Corinna Cwielag vom BUND in Mecklenburg-Vorpommern: „Die Landespolitik in Mecklenburg-Vorpommern treibt die Industrialisierung der Ostsee voran, obwohl gerade die Küstenmeere von Mecklenburg-Vorpommern von großer ökologischer Bedeutung für die gesamte südliche Ostsee sind. Laichgebiete des Herings im Greifswalder Bodden, Aale, Störe, Schweinswale, Kegelrobben und besonders die verbliebenen Seegraswiesen werden immer wieder durch Baumaßnahmen für Pipelines, Hafenausbauten und Seekabelverlegungen gestört und beeinträchtigt. Die natürlichen Funktionen der Küstengewässer dürfen nicht immer weiter durch die Verbauung eingeschränkt werden. Schutzgebiete im Meer müssen endlich auch als solche akzeptiert werden, sonst wird HELCOM unglaubwürdig.“
BUND und NABU schauen erwartungsvoll nach Riga und erhoffen sich einen neuen Spirit für den Schutz der Ostsee. Neben wirksamen und streng geschützten Meeresschutzgebieten braucht es vor allem Maßnahmen zur Regulierung der Stellnetzfischerei und zur Reduktion der Nährstoffbelastung aus der Landwirtschaft.
Kontakt:
Bettina Taylor, bettina.taylor(at)bund.net, Mobil +49 152 04 04 71 80 (in Riga)
Stefanie Sudhaus, stefanie.sudhaus(at)bund-sh.de, Mobil 0152 29 01 50 49
Dagmar Struß, dagmar.struss(at)nabu-sh.de, Mobil 0170 96 11 081