Mit weniger als zwei Metern Länge ist der Kleinwal schnell Opfer von Fischereinetzen. Die Population in der zentralen Ostsee zählt inzwischen nur noch weniger als 500 Tiere und ist akut vom Aussterben bedroht. Auch der Bestand in der westlichen Ostsee leidet unter vielen Belastungen, wie Wasserverschmutzung, Tourismus und Unterwasserlärm.
„Die Forderungen von Bündnis 90/Die Grünen nach einem Nationalpark in der Ostsee unterstützen wir, denn wir brauchen dringend effektive Schutzmaßnahmen und Nullnutzungszonen, um die Tiere zu schützen“, betont Stefanie Sudhaus, Meeresschutzreferentin des BUND Landesverbands Schleswig-Holstein. „Es kann nicht sein, dass wir zwar Verbotszonen haben, diese aber nicht umgesetzt werden – so kann man dieser und vielen anderen gefährdeten Arten nicht helfen!“.
In der deutschen Ostsee wurden bereits viele Schutzgebiete ausgewiesen, weil Schweinswale sich dort häufig aufhalten, ihre Kälber zur Welt bringen und großziehen. Doch dieser Schutz existiert in den meisten Gebieten nur auf dem Papier, da Fischerei und Schifffahrt bislang kaum eingeschränkt werden. Eine der häufigsten Todesursachen für die Schweinswale sind Stellnetze, in denen sich die Tiere verfangen und ertrinken. Schon seit einigen Jahren gibt es in Schleswig-Holstein eine „Freiwillige Vereinbarung zum Schutz von Schweinswalen und Tauchenten“, der viele Fischer angehören und die die Länge der ausgebrachten Netze zeitweise begrenzt beziehungsweise verbietet. Und auch die EU zog kürzlich mit entsprechenden Regelungen nach, die die Stellnetzfischerei in einigen wenigen deutschen Schutzgebieten zwischen November und Januar verbieten. Doch nach Meinung des BUND ist das nicht ausreichend. Stellnetze müssen aus allen Schutzgebieten ganzjährig verbannt werden, wenn die Schweinswale wirklich gerettet werden sollen.
Zusätzlich wird der Ostseeschweinswal durch den zunehmenden Unterwasserlärm bedroht. Aufgrund der Dunkelheit unter Wasser verlassen sich Schweinswale zur Orientierung, Nahrungs- und Partnersuche auf ihr Gehör. Die Säuger sehen sozusagen mit den Ohren und mit jedem Unterwasserlärmeintrag verschlechtert sich das „Sehvermögen“. In der Ostsee leiden die Tiere unter anderem unter der Berufsschifffahrt, militärischen Aktivitäten und Sprengungen, akustischen Vergrämern und kleineren Schiffen (mit Echoloten für die Tiefenmessung). Unterwasserschall kann sich über große Distanzen ausbreiten und trägt weiter als an der Luft.
„Wie sich der Schall auf Tiere auswirkt, hängt unter anderem von der Intensität und Dauer der Beschallung, der Entfernung des Tieres zur Schallquelle und der Lärmempfindlichkeit der jeweiligen Tierart ab – im schlimmsten Fall kann er zum Tod führen“, erklärt Nadja Ziebarth, Leiterin des BUND-Meeresschutzbüros und fordert: „Unterwasserlärm muss von der Politik gestoppt werden.“
Für Tiere wie den Ostseeschweinswal wird es immer schwieriger, ruhige Rückzugsorte und genug Nahrung zu finden. Eine mutige Meereswende, wie sie von der neuen Bundesregierung angekündigt wurde, ist nun dringend nötig, um den Ostseeschweinswal – und andere Tiere – aufatmen zu lassen.
Kontakt für weitere Informationen:
Stefanie Sudhaus, Meeresschutzreferentin BUND LV Schleswig-Holstein, Tel: 0152 29015049, stefanie.sudhaus(at)bund-sh.de
Nadja Ziebarth, Leiterin BUND-Meeresschutzbüro, Mobil: 0174 3191424, nadja.ziebarth(at)bund.net
Mehr Informationen:
www.bund.net/meere/belastungen/fischerei
www.bund.net/meere/unterwasserlaerm
In der Alten Münze in Berlin macht vom 6. Mai bis 8. Juni 2022 die Ausstellung „Seaphony“ mit räumlichen Klangkunst- und Lichtinstallationen die Sinfonie des Unterwasserlebens erfahrbar. Der BUND thematisiert vor Ort mit der Wanderausstellung „Eingetaucht – Vielfalt in unseren Meeren“ das Verhältnis zwischen Mensch und Meer und zeigt Auswege aus der Meereskrise.
Hintergrund:
Der Schweinswal (Phocoena phocoena) ist die einzige in Deutschland heimische Walart und steht unter strengem Schutz. Jedes Jahr zum 3. Sonntag im Mai ruft das von Deutschland unterzeichnete Kleinwalschutzabkommen ASCOBANS zum Tag des Ostseeschweinswals auf, um auf seine Bedrohung aufmerksam zu machen. In den vergangenen Jahrzehnten ist der Bestand der Schweinswalpopulationen insbesondere östlich des Darß dramatisch zurückgegangen.