Junge, kerngesunde Bäume weisen eine wesentlich geringere Artenvielfalt auf als knorrige Bäume. Viele Arten, wie zum Beispiel der seltene Hirschkäfer, können sich nur in alten Bäumen entwickeln. Deshalb sind gerade diese urigen Exemplare so wichtig für den Erhalt der biologischen Vielfalt.
An alten Eichen hat man über 1.000 Organismenarten gezählt – von Baummardern, Fledermäusen, Eichhörnchen und Spechten über eine große Vielzahl an Insekten bis hin zu Moosen und Pilzen.
Naturnahe Wälder oder Urwälder erfüllen als Kohlenstoffsenke eine Klimaschutzfunktion, indem sie Kohlenstoffdioxid – eines der wichtigsten Treibhausgase – aus der Luft aufnehmen, Sauerstoff abgeben und Kohlenstoff auf Hunderte von Jahren im Holz und im Waldboden fixieren. Baumschutz ist Klimaschutz.
Bäume für die Menschen
Bäume spielen eine vielfältige und zentrale Rolle im Leben der Menschen. Nicht zufällig finden sich Bäume als Weltenbäume, Lebensbäume, Schicksalsbäume oder Bäume der Erkenntnis in allen Religionen dieser Welt. Der Baum taucht in Märchen und Sagen auf, in Malerei, Dichtung und Musik, als Ort der Kommunikation, der Liebe, des Todes, des Schutzes und der Rechtsprechung. Aber auch Maibaum, Richtbaum, Tanzbaum, Glücksbaum, Freiheitsbaum, Christbaum, Stammbaum und dergleichen machen deutlich, wie viel Gemeinsames uns mit Bäumen verbindet.
Große Bedeutung hatten in früheren Zeiten Tanzbäume und Gerichtslinden. Berühmtheit erlangte die schleswig-holsteinische Bräutigams-Eiche im Dodauer Forst bei Eutin, da sie lange Zeit der einzige Baum der Welt mit einer eigenen Postanschrift war.
Was ist Totholz?
Als Totholz bezeichnet man abgestorbene Bäume oder Teilen davon. Je nachdem, ob die abgestorbenen Bäume noch stehen oder bereits umgestürzt sind, spricht man von stehendem oder liegendem Totholz. Beispiele für stehendes Totholz sind Baumstümpfe oder abgestorbene Teile wie dürre Seitenäste an noch lebenden Bäumen.
Totholz kann durch Lichtmangel (Ausdunklung), Krankheiten, Insekten- und Pilzbefall, Wind- und Schneebruch, Waldbrand sowie durch den natürlichen Alterstod von Bäumen entstehen. Zumeist führt das Zusammenwirken mehrerer Faktoren zum Absterben.
Totholz ist ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems Wald und die Lebensgrundlage tausender Arten von Tieren, Pflanzen und Pilzen. Für den Ablauf der ökologischen Prozesse in der Natur sowie für den natürlichen Kreislauf aus Leben und Tod ist totes Holz unerlässlich. Bäume keimen, wachsen, altern, sterben und vergehen. Nach dem Absterben nutzen unzählige Organismen die enthaltenen Nährstoffe und Restenergie, bis das Holz völlig zersetzt ist. Der gebildete Humus dient lebenden Pflanzen wieder als Nährstoffbeet.
Doch in unseren aufgeräumten Wirtschaftswäldern ist Totholz Mangelware. Die Bäume werden in der Regel bereits gefällt und die Stämme abtransportiert, wenn sie noch nicht einmal die Hälfte ihrer natürlichen Lebensdauer erreicht haben. Schwachholz und Baumkronen landen als Brennholz im Ofen. In der Kulturlandschaft und im Siedlungsraum widerspricht totes Holz dem Ordnungssinn vieler Menschen. Deshalb stehen so viele Totholzspezialisten unter den Tieren und Pilzen auf den Roten Listen der bedrohten und aussterbenden Arten.
Lebensraum Totholz
Abgestorbene Bäume werden durch eine Vielzahl von Organismen genutzt, die sich im Laufe der Stammesgeschichte an diesen Lebensraum angepasst haben. Spechte, Insektenlarven, Totholzpilze und Bakterien – sie alle sorgen dafür, dass Totholz in den biologischen Kreisläufen eingebunden bleibt. Mehr als 600 Großpilzarten sind am Abbau beteiligt und über 1.350 der 6.000 Käferarten Mitteleuropas leben vom Totholz. Etwa 770 Arten kommen in Schleswig-Holstein vor (Stand 2005).
Viele Pflanzen und Tierarten sind in ihrer Lebensweise hochgradig auf bestimmte Zerfalls- und Zersetzungsphasen von Holz angewiesen. Zum Beispiel Pilze, Flechten, Moose und viele Insektenarten, wie etwa Ameisen und Schmetterlinge. Der überwiegende Teil unserer 1.000 Wespen- und Bienenarten benötigt Alt- und Totholz.
Der Schutz der biologischen Vielfalt alter Bäume und von Totholz muss in erster Linie durch eine ökologisch orientierte Waldbewirtschaftung erfolgen. Dazu gehören Mindestanteile an ungenutzten "Biotopbäumen", an Altholzinseln und an Naturwaldreservaten. Zudem brauchen wir großräumige, nutzungsfreie Waldschutzgebiete als "Urwälder von morgen".