Offener Brief von NABU SH und BUND SH an MdL Bernd Buchholz

28. Juni 2024 | Flächenverbrauch, Klimawandel, Landespolitik, Mobilität

Die gegen EU- und Bundesrecht verstoßenden Äußerungen des MdL Bernd Buchholz zu der von ihm gewünschten Ausweitung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Landesstraßenbau in der Plenardebatte vom 21.6. veranlassen die beiden großen Natur- und Umweltverbände BUND und NABU zu einem Offenen Brief.

Fernstraßenbau  (D.Jansen)

In seinem Beitrag sprach MdL Bernd Buchholz seinen Gesprächswunsch mit den beiden Verbänden aus, den wir auf diesem Wege gerne annehmen.

Bereits während seiner Zeit als Verkehrsminister hatten wir in mehreren Gesprächsrunden mit ihm unsere Bedenken gegenüber dem "umweltschädlichsten Autobahnprojekt Deutschlands" (Umweltbundesamt) geäußert. 

Da die beiden Verbände auf die damalige ultimative Forderung, den Verzicht auf jegliche weitere Rechtsmittel in bezüglich der A20, nicht eingehen wollten, wurden die Gespräche seitens des Ministeriums beendet. 

Insofern freuen wir uns, wenn wir das Gespräch mit Herrn Buchholz in seiner neuen Funktion als Parlamentarier weiterführen können.


Sehr geehrter Herr Dr. Buchholz,
sehr geehrte FDP-Fraktion,

am vergangenen Freitag haben Sie im Landtag die verschiedenen Anträge zur Verfahrensbeschleunigung behandelt. Im Kern dieser Anträge ging es darum, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, indem Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkt werden. Belange des Naturschutzes, etwa, sollen einem beschleunigten Ausbau von Landesstraßen weichen. In unserer Pressemitteilung vom 20. Juni haben wir, der NABU Schleswig-Holstein, unsere Bedenken gegen die Rechts- und Naturunverträglichkeit Ihres Antrags dargelegt.

Im Rahmen Ihrer Plenarrede kamen Sie auf den Ausbau der A20 zu sprechen und haben dänische Verhältnisse herbeigesehnt. In diesem Zusammenhang meinten Sie, dass das so in Schleswig-Holstein nicht möglich wäre, weil BUND und NABU in „Fundamentalopposition“ stünden. Und schließlich haben Sie ausgeführt, dass Sie doch gern einmal mit BUND und NABU dazu das Gespräch suchen würden.

Über diesen Gesprächswunsch waren wir sehr verwundert, da wir davon erstmals durch Ihre Rede erfahren haben. Warum haben Sie uns dann weder im Vorfeld Ihrer Rede noch im Nachgang um ein Gespräch ersucht? Wir sind auch aufgrund früherer „Gesprächserfahrungen“ mit Ihnen zur A20 nicht sicher, inwieweit Ihr aktueller Gesprächswunsch tatsächlich ernst gemeint war. Gern kommen wir nun aber von unserer Seite Ihrem Gesprächswunsch entgegen.

Sie haben richtig erkannt, dass wir den A20-Ausbau kategorisch ablehnen. Gern erklären wir Ihnen nochmals, wieso wir dies tun. Der Ausbau der A20 soll v.a. wirtschaftlichen Interessen dienen. Ein berechtigtes Anliegen. Abzuwägen ist dieses Interesse aber gegen den Klimawandel und gegen den Naturschutz.
Gern erläutern wir Ihnen in aller Kürze die Zusammenhänge zwischen Kraftverkehr, Klimawandel und dem Massenaussterben. Jedes Teilstück einer Katastrophe trägt zu ihrer Vollendung bei. Zahlreiche Studien belegen, dass der Neubau von Autobahnen nicht allein den bestehenden Verkehr kanalisiert, sondern durch erhöhte Geschwindigkeiten und potenziertes Verkehrsaufkommen die Schadstoffemissionen massiv erhöht. Der Ausbau der A20 ist damit ein doppelter Schlag gegen das Klima! Der voranschreitende Klimawandel fordert Menschenleben – im Moment aber vorrangig noch im für uns allzu oft unsichtbaren globalen Süden. Alle zwei Minuten stirbt ein Mensch unmittelbar an den Folgen des Klimawandels. Die Zahl jener Menschenleben, die der Klimawandel mittelbar fordert, ist noch deutlich höher. Wie lange ist es her, dass Sie angefangen haben, diesen Brief zu lesen? Rechnen Sie das gern in Menschenleben um! Mit dem Ausbau der A20 nehmen Sie in Kauf, dass sich dieser Prozess weiter beschleunigt. Sie wägen wirtschaftliche Interessen gegen Menschenleben ab. Und kommen dabei zu dem Ergebnis, dass wirtschaftliche Interessen wichtiger sind? Das haben Sie in Ihrem Jura-Studium sicher einmal anders gelernt, Herr Dr. Buchholz. Haben Sie sich bereits so sehr an das minütliche, klimabedingte Sterben gewöhnt, dass Sie dem gleichgültig gegenüberstehen?

Die Zwillingskrise der Klimakrise ist die Naturkrise. Sie ist nicht weniger dringlich, doch wird sie bislang weniger wahrgenommen. Wir zerstören Lebensräume, rotten Arten aus und vernichten damit auch unsere eigenen Lebensgrundlagen. Wussten Sie, dass ausgestorbene Arten nicht zurückkommen? Die A20 führt zu ganz erheblichen Eingriffen, die auch nicht ohne Weiteres ausgeglichen werden können. Das Bundesamt für Naturschutz bezeichnet die A20 nicht ohne Grund als „umweltschädlichstes Verkehrsvorhaben“. Und auch die Wirtschaft wird es Ihnen nicht danken, wenn dank der vorangetriebenen Naturkrise horrende Kosten auf sie zukommen werden. Dürren und Hochwasser, Rohstoffmangel und Lieferengpässe, Pflanzen, die aufwändig und teuer per Hand oder maschinell bestäubt werden müssen – das sind nur einige jener Szenarien, die anderswo bereits heute Realität sind.
Wachstum um jeden Preis hat die Welt in diese missliche Lage gebracht. Und kein noch so extremes Hochwasser, kein noch so beängstigendes Zukunftsszenario der Wissenschaft und kein Menschenleben lässt Sie, Herr Dr. Buchholz, innehalten? Sie wundern sich über unsere Fundamentalopposition und beklagen diese? Möchten Sie Menschenleben und unsere Lebensgrundlagen diesem gestrigen Projekt opfern? Uns erschließt sich nicht, wie Ihre Aussage anders verstanden werden könnte. Vielleicht mögen Sie mit uns ja nun wirklich reden, anstatt diesen Gesprächswunsch nur in Plenarsitzungen zu artikulieren.

Wir lassen uns nicht für berechtigte Forderungen an den Pranger stellen!
Unsere „Fundamentalopposition“ ist eine fundamentale Position für den Schutz von Menschen, Natur und Klima. Für den Erhalt des Lebens auf diesem Planeten.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Schwarzlose                       Ole Eggers
Landesvorsitzender NABU SH            Geschäftsführer BUND SH

Pressekontakte:

Eva Krautter, Pressesprecherin NABU Schleswig-Holstein, 04321.7572077, Eva.Krautter(at)NABU-SH.de

Sina Clorius, Pressesprecherin BUND Schleswig-Holstein, 0431. 6606051, Sina.Clorius(at)BUND-SH.de

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