Todeszone Tideelbe

20. September 2024 | Flüsse & Gewässer, Landespolitik, Umweltgifte

Über 60 Tage Sauerstoffmangel: Ein düsterer Rekord zum Internationalen Tag der Flüsse

Zum internationalen Tag der Flüsse am vierten Sonntag im September sollte der ökologische Wert unserer Flüsse gefeiert werden. An der Tideelbe gibt es jedoch nichts zu feiern. Im Gegenteil: Die im Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ zusammengeschlossenen Umweltverbände BUND, NABU und WWF bemängeln, dass sich trotz klarer Verbesserungspflichten der EU, der Zustand des Ökosystems Tideelbe seit Jahren verschlechtert. Besonders deutlich zeigen sich derzeit die Auswirkungen von Ausbaumaßnahmen und weiteren schädlichen Einflüssen an der Tideelbe durch die langanhaltend dramatisch niedrigen Sauerstoffwerte.

Seit unfassbaren 62 Tagen liegt die Sauerstoffkonzentration an der Wassergütemessstelle Blankenese bereits durchgehend unterhalb von 4 mg/L. Eine Situation, die für Gewässerorganismen höchst kritisch ist und so seit über 30 Jahren nicht mehr in der Elbe vorkam. Für Fische definitiv tödliche Werte von 2 mg/L oder weniger wurden an 26 Tagen davon gemessen . Auch diese Zahl ist ein trauriger Rekord.

„Im Bereich des Hamburger Hafens und elbabwärts beobachten wir dieses Jahr eine extrem langanhaltende Todeszone für Gewässerorganismen,“ so die Verbände. „Dabei fehlen insbesondere den Fischen Flachwasserzonen als Rückzugsbereiche mit höheren Sauerstoffwerten.“ Flachwasserzonen können als Ausweichbereiche für Fische wirken, in denen sie den niedrigen Sauerstoffwerten im Hauptstrom entgehen können. Diese sollten verstärkt angelegt bzw. gefördert werden. „Um hier etwas Wirksames zu erreichen, bedürfte es dafür ein mit ausreichenden finanziellen Mitteln hinterlegtes und von der Politik getragenes Maßnahmenprogramm. Es ist ein politisches und behördliches Armutszeugnis, viel zu wissen und wenig zu machen,“ so die Verbände.

Im Ergebnis sterben tausende Fische in der Tideelbe, die meisten unsichtbar unter der trüben Wasseroberfläche. Eine Ausnahme stellt der Fund eines verstorbenen, laichbereiten europäischen Störs dar, der nach ca. 15 Jahren Ende Juli 2024 fortpflanzungsbereit die Elbe hinaufziehen wollte. Dieser Stör steht wohl symbolisch für alle Wanderfischarten und Neunaugen, für die die Sauerstoffmangelsituation in der Tideelbe das tödliche Ende ihrer Wanderung ist.

Dass die Situation in diesem Jahr so viel dramatischer ist als bisher, könnte auch mit mehreren Starkregenereignissen in Hamburg zusammenhängen, bei denen ungewöhnlich große Mengen Abwasser in die Tideelbe übergelaufen sind. So hat sich das jährliche Sauerstoffproblem im tiefen Wasser noch verstärkt, vermuten die Verbände. Solche Ereignisse sowie langanhaltend hohe Temperaturen werden in Zukunft noch zunehmen, sodass dringend eine nachhaltige Lösung für den erstickenden Lebensraum in der Tideelbe benötigt wird.

Die Hauptursache für das jährliche Sauerstofftal liegt jedoch nach wie vor im Ausbau des Flusses, dessen negative Folgen im krassen Gegensatz zu den zurückgehenden Containerumschlagszahlen stehen. „Während die vorhandene Tiefe in der Fahrrinne der Elbe kaum genutzt wird, zahlt die Natur dafür einen hohen Preis. Die unnötige Tiefe der letzten Elbvertiefung zurückzunehmen, ist die wirksamste Maßnahme, um unserer Elbe wieder eine Chance auf ein gesundes Ökosystem zu geben,“ fordert das Aktionsbündnis aus BUND, NABU und WWF.

Für Rückfragen der Presse:

Linda Kahl – BUND Hamburg, Tel. 040 600 387 08

Malte Siegert – NABU Hamburg, Tel. 0173 937 32 41

Beatrice Claus – WWF Hamburg, Tel. 0151 18854968

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb