Böser Wolf?

Der Wolf hat ein schlechtes Image - zu Unrecht

Wo die Tiere seit jeher leben und der Umgang mit ihnen Alltag ist, werden sie nicht als größeres Problem wahrgenommen. Wo sie sich dagegen erst wieder ansiedeln, sehen manche Menschen die Konflikte als erhebliche Belastung, einige beschleicht Angst oder Unsicherheit. Eine wissenschaftliche, sehr umfassende Recherche (Nina Institut Norwegen 2001) fasste Angriffe von Wölfen auf Menschen weltweit zusammen. Von 1950 bis 2000 wurden in Europa 59 Zwischenfälle festgestellt. In 38 Fällen war die Ursache die Tollwut, fünf dieser Angriffe endeten tödlich. In 21 Fällen war Tollwut nicht ursächlich, davon endeten vier tödlich, alle in Spanien. Eine Gesamtschau des Berichts zeigt, dass die meisten nicht tollwutbedingten Unfälle auf angefütterte, provozierte oder wie in Lettland und Litauen auf entlaufene und halbzahme Wölfe oder Hybriden (Mischlinge) von Wolf und Hund zurückzuführen sind.

Immer weniger Zwischenfälle: Inzwischen spielt die Tollwut in Deutschland wie auch in den meisten angrenzenden Ländern keine Rolle mehr. Trotz Zunahme der Wolfspopulation in Europa in den letzten 30 Jahren hat die Zahl der Unfälle mit Wölfen abgenommen. In Rumänien, dem Land mit der stärksten Wolfspopulation (circa 3000 Tiere), gibt es nur einige wenige Berichte von Bissverletzungen, wenn Schäfer versucht haben, einen Wolf zu erschlagen. Dabei durchstreifen Wölfe in Rumänien wie in allen anderen Wolfsregionen regelmäßig Siedlungen.

Auch wenn Vergleiche immer problematisch sind, wenn es um Menschenleben geht, sei angemerkt, dass sich in Deutschland laut ADAC allein im Jahr 2009 an die 2800 Autofahrer bei Wildunfällen verletzten. 13 Menschen starben dabei – ohne dass jemand auf die Idee käme, Rehen und Wildschweinen ihr Lebensrecht abzusprechen.
Und: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes werden in Deutschland wesentlich mehr Menschen durch den "besten Freund des Menschen" getötet: Haushunde haben in Deutschland jährlich 30.000 bis 50.000 Bissverletzungen und drei bis vier getötete Menschen zur Folge.

Wilde Wölfe sind sehr scheue Tiere und meiden den Kontakt zu Menschen – auch bei der nächtlichen Suche nach leicht erreichbarer Nahrung in der Nähe menschlicher Siedlungen. Diese Scheu vor dem Menschen ist auch der jahrhundertelangen intensiven Bejagung geschuldet.
Spaziergänger, Radfahrer und Jogger werden Wölfe n der Regel nicht zu Gesicht bekommen. Die Wölfe bemerken den Menschen frühzeitig und suchen das Weite. Sie sehen ihn nicht als Beute an. Pilz- oder Beerensammler, die tief in Dickichte eindringen, können dagegen schon einmal auf einen ruhenden Wolf stoßen. Sie sollten sich ruhig verhalten und dem Wolf die Möglichkeit geben, sich zurückzuziehen. Einzelne Jungwölfe, zumeist Rüden unternehmen weite Wanderungen um ein neues Rudel zu gründen. Diese Tiere sind neugierig und ausserdem sind sie als Einzeljäger darauf angewiesen, leichte Beute zu machen. Sie können entsprechend auch immer wieder in der Nähe von Gehöften oder menschlichen Siedlungen angetroffen werden, wo sie gelegentlich auch Haustieren nachstellen. Auch von diesen Wölfen geht in der Regel keine Gefahr für den Menschen aus.

Wölfe sind wie unsere Hunde vor allem Fleischfresser. Sie sind auf keine bestimmten Tierarten spezialisiert, sondern jagen, was in ihrem Revier lebt. Sie greifen daher auch Nutz- und Haustiere an. Doch hierfür können Lösungen gefunden werden. In anderen "Wolfsländern" hat sich eine umsichtige Kombination aus Schutzzäunen, Herdenschutztieren und Ausgleichszahlungen für Nutztierhalter bewährt.
Eines fressen Wölfe ganz sicher nicht: Menschen, egal welchen Alters. Der Mensch gehört nicht ins Beuteschema des Wolfes.

Trotzdem wird immer wieder die Angst vor dem Wolf geschürt. Sogar einen Namen gibt es für diese Polemik: das „Rotkäppchen-Syndrom“, abgeleitet vom gleichnamigen Märchen, in dem der Wolf nicht nur die Großmutter, sondern die Enkelin gleich mit frisst. Aber das ist eben nur ein Märchen. 

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