BUND-Landesverband Schleswig-Holstein e.V.

Knickschutz-Aktion 2016

Werden die geltenden Schutzbestimmungen für die Schleswig-Holsteinischen Knicks in der Praxis eingehalten? Haben die 2013 landesweit eingeführten und 2016 konkretisierten schärferen Schutzbestimmungen zu einem verbesserten Erhaltungszustand des schleswig-holsteinischen Knicknetzes geführt?

Diesen Fragen ist der BUND SH mit seiner Knickkartierungs-Aktion im 2. Halbjahr 2016 nachgegangen. Zweck der Aktion war es, über Einzelbeobachtungen hinausgehende belastbare Informationen über die Beachtung bzw. Nichtbeachtung der geltenden Schutzbestimmungen zu gewinnen, um daraus Schlussfolgerungen für den Knickschutz ableiten zu können.
Insgesamt wurden 242 Knicks in allen Landesteilen von 35 Kartiererinnen und Kartierern auf ihren Behandlungszustand hin begutachtet.

Wie wurden die überprüften Knicks ausgesucht?

Den freiwilligen Kartierern wurden die von ihnen zu begutachtenden Knicks zentral ohne Kenntnis des tatsächlichen Zustandes vom „Grünen Tisch“ aus vorgegeben. Aussuchen konnte sich jeder Kartierer lediglich die Anzahl und die Gemarkung der von ihm zu kartierenden Knicks.

Was wurde im einzelnen untersucht? 

  1. Wird im Ackerland der Knickschutzstreifen eingehalten?
  2. Wird beim seitlichen Rückschnitt der Gehölze der Mindestabstand eingehalten?
  3. Werden die Schutzbestimmungen beim „Auf den Stock setzen“ beachtet? 

Zusätzlich wurde untersucht: 

  1. Ist der Gehölzbewuchs durchgehend oder lückenhaft?
  2. Sind „alte“ und/oder nachwachsende Überhälter vorhanden?  

Welche Ergebnisse brachte die Kartierung?

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Gehölzbewuchs

Der ökologische Wert eines Knicks wird in hohem Maße von einem durchgehenden Bestand an Gehölzen bestimmt. Ohne Gehölze gibt es kein Blütenangebot für Insekten, keine Früchte und Brutmöglichkeiten für Vögel.
Geprüft wurde, ob der Knick durchgängig mit Gehölzen bestanden ist oder größere Lücken bis zur Gehölzfreiheit aufweist. Die vorhandenen Gehölzarten waren nicht Gegenstand der Untersuchung.

Die Ergebnisse: 82,5 % der untersuchten Knicks waren vollständig mit Gehölzen bestanden oder hatten nur kurze Gehölzlücken unter 10 m Länge. Wo der Gehölzbestand lückenhaft ist oder völlig fehlt, sind zumeist zusammenliegende Knicks betroffen. Auf der Insel Föhr hatten z.B. alle 8 kartierten Knicks keinen Gehölzbewuchs. 

Überhälter

Überhälter sind definiert als einzeln stehende Knickbäume von mindestens 30 cm Durchmesser in ein Meter Bodenhöhe. Sie dürfen nur gefällt werden, wenn die entstehende Lücke zwischen verbleibenden Bäumen nicht größer als 60 Meter wird. Alte und starke Überhälter über zwei Meter Stammumfang sowie sogenannte landschaftsprägende Bäume sind generell vor dem Fällen geschützt. Wo Überhälter fehlen, sollen nachwachsende Bäume als zukünftige Überhälter stehen gelassen werden, wenn der Knick auf den Stock gesetzt wird, oder es sollen neue gepflanzt werden. 
Überhälter erhöhen den ökologischen Wert eines Knicks, weil sie zusätzlichen Lebensraum für viele Tierarten schaffen, unter anderem als Brutbäume für Greifvögel. Zudem erzeugen sie ein parkartiges Landschaftsbild und erhöhen so den Erholungswert der Landschaft.
Begutachtet wurde, ob (alte) und nachwachsende Überhälter in den Knicks vorhanden sind.

Die Ergebnisse: „Alte“ Überhälter standen in 53 % der untersuchten Knicks. In 24 % der Knicks standen neben alten auch nachwachsende (junge) Überhälter. Ausschließlich nachwachsende Überhälter wurden in 12 % der Knicks festgestellt. In 34 %, also in 1/3 der untersuchten Knicks gab weder alte noch nachwachsende Überhälter. 

Knickschutzstreifen

Die Schutzbestimmungen geben seit 2013 vor, dass ein ungepflügter, ungedüngter und ungenutzter Schutzstreifen von mindestens 50 cm zwischen Knickwallfuß und der genutzten Ackerfläche einzuhalten ist. Er darf maximal alle drei Jahre umgegrubbert, aber nicht umgepflügt und für den Anbau von Feldfrüchten genutzt werden.
Der Schutzstreifen dient dem Schutz des Knickwalles und seines Bewuchses vor Wurzelbeschädigungen, Pestizid- und Düngereinträgen.
Untersucht wurde, ob dieser Schutzstreifen auf beiden Knickseiten eingehalten wird, wobei geringfügige Abweichungen von der Mindestbreite keine Beachtung fanden.

Die Ergebnisse: Ein Knickschutzstreifen in vorgeschriebener Breite wurde in 44,5 % der untersuchten Knicks im Ackerland festgestellt.
Von den untersuchten Knicks wiesen 55,5 % keinen oder einen deutlich zu schmalen Schutzstreifen auf beiden oder einer Knickseite auf. 

Seitlicher Rückschnitt

Beim seitlichen Rückschnitt (Aufputzen) der Knickgehölze zur besseren Befahrbarkeit des Ackers am Knick ist ein Mindestabstand von einem Meter zum Knickwallfuß beim üblichen senkrechtem Aufputzen einzuhalten.
Der Abstand soll sicherstellen, dass die ökologischen Nahrungs-, Brut- und Schutzfunktionen des Knicks u.a. für Vögel und Insekten weitgehend erhalten bleiben.
Begutachtet wurde, ob der Knick innerhalb den letzten Jahre zurückgeschnitten wurde und ob dabei der vorgeschriebene Abstand im wesentlichen eingehalten wurde.

Die Ergebnisse: Von den untersuchten Knicks wurden 44 % auf einer Knickseite oder beidseitig innerhalb der letzten drei Jahre senkrecht zurück geschnitten. Der seitliche Mindestabstand vom Knickwallfuß wurde dabei lediglich in 21 % der Fälle eingehalten. Eine Unterschreitung des Mindestabstandes wurde bei 79 % der zurück geschnittenen Knicks festgestellt. In 16 % der Fälle lag der Rückschnitt sogar innerhalb des Wallbereichs. 

Auf den Stock setzen

Beim maschinellen Zurückschneiden der Knickgehölze bis auf den Stock – was alle 10 bis 15 Jahre zur Erhaltung des Buschcharakters des Knicks erfolgen soll - dürfen keine den Wiederaufwuchs beeinträchtigenden Schäden an den Stümpfen entstehen. Unter Umständen muss der Gehölztrieb mit der Knickschere höher abtrennt und mit der Kettensäge sauber nachgeschnitten werden. Begutachtet wurde, ob ein in den letzten Jahren auf den Stock gesetzter Knick keine unzulässigen Schäden aufweist.

Die Ergebnisse: Lediglich 5 % der untersuchten Knicks sind in den letzten drei Jahren auf den Stock gesetzt worden. Schäden an den Stümpfen durch unsachgemäßes Arbeiten wurden bis auf einen Ausnahmefall nicht festgestellt. 

Bewertung

Die Untersuchung von 242 in ganz Schleswig-Holstein verteilter Knicks erlaubt zwar keine gültige Hochrechnung für ca. 45 000 km Gesamtlänge Knicks im Lande, aber Tendenzaussagen. Die Ergebnisse zeigen erhebliche Mängel bei der Einhaltung der strengeren Knickschutzbestimmungen seit 2013.
Insbesondere beim senkrechten seitlichen Rückschnitt (Aufputzen) der Knickgehölze wird der geforderte Abstand von einem Meter vom Knickwallfuß weit überwiegend nicht eingehalten. Nicht selten erfolgt das Aufputzen sogar bis in den Wallbereich hinein. Eine der zentralen Schutzbestimmungen, die gewährleisten soll, dass die Nahrungs-, Reproduktions- und Schutzfunktionen für eine Vielzahl von Tierarten durch übermäßigen Rückschnitt nicht „weggeputzt“ werden, wird damit offensichtlich in der Praxis kaum beachtet.
Etwas besser ist die Situation bei der Einhaltung des 50 cm breiten Schutzstreifens am Wallfuß bei Knicks im Ackerland. Knapp die Hälfte der Knicks weisen auf beiden Seiten einen ausreichenden Schutzstreifen auf. Dass andererseits zur guten Hälfte der Schutzstreifen gegen Pestizid- und Düngereintrag in den Knick fehlt oder deutlich zu schmal ist, zeigt, dass die Defizite in der Einhaltung der Schutzbestimmungen auch bezüglich des Knickschutzstreifens erheblich sind.

Das „Auf den Stock setzen der Knicks“ (Knicken) erfolgt heute weitgehend maschinell mit der sog. Knickschere durch Lohnunternehmer. Die Kartierergebnisse deuten darauf hin, dass das maschinelle Knicken weitgehend fachgerecht erfolgt – unter anderem durch Nachschneiden dicker Stümpfe mit der Motorsäge. Allerdings war die Zahl kartierter Knicks, die in den letzten zwei Jahren auf den Stock gesetzt waren, relativ gering, so dass die Ergebnisse wenig aussagekräftig sind.

Hinsichtlich der Überhälter, der Knickbäume, deuten die Kartierergebnisse auf eine positive Entwicklung bezüglich der Anzahl nachwachsender (junger) Überhälter hin. Ca. ein Drittel der kartierten Knicks weisen nachwachsende Überhälter auf, zum Teil neben alten Bäumen. In ca. jedem zehnten - bisher Überhälter-freiem Knick – wachsen Überhälter aus den vorhandenen Knickgehölzen nach. Allerdings lässt deren oftmals dünnstämmig lange „Pinsel“-Form Zweifel aufkommen, ob sich daraus den vorhandenen gleichwertige alte Überhälter entwickeln können.

Inwieweit die Schutzbestimmungen zum Fällen der eigentlichen „alten“ Überhälter eingehalten werden, ließ sich über die Kartierung nicht hinreichend bestimmen. Zwar gab es einige Angaben über unzulässiges Fällen, das für eindeutiges Überprüfen erforderliche Abgehen der Knicks hätte der Zustimmung des Eigentümers bedurft. Der war in der in der Regel unbekannt und hätte zudem wohl das Betreten zumeist verweigert. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass die Hälfte der Knicks zumindest einen Überhälter aufweist. Sowohl alte als auch nachwachsende Überhälter fehlen in ca. einem Drittel der Knicks. Ob hier nachwachsende Überhälter beim nächsten Knicken belassen werden – wie es die staatlichen Schutzbestimmungen empfehlen - ist offen, kann aber im Hinblick auf die Ergebnisse zu nachwachsenden Überhältern teilweise erwartet werden.
Abschließend ist festzustellen, dass im Vergleich zur Situation vor sechs Jahren, als der BUND über eine landesweite Knick-Check-Aktion und eine lokale flächendeckende Knickkartierung alarmierende Zustände aufzeigte, sich der Zustand des Knicknetzes in Schleswig-Holstein verbessert hat. Das seinerzeit häufige Zurückschneiden der Knicks auf „Handtuchbreite“ ist nur noch selten vorzufinden.
Die stichprobenartige Kartierung des BUND von 2016 offenbart aber beim seitlichen Rückschnitt und Belassen eines Knickschutzstreifens erhebliche Defizite in der praktischen Umsetzung dieser zentralen Elemente der geltenden Knickschutzbestimmungen.

Welche Ursachen haben die festgestellten Umsetzungs-Defizite?

Über die 2013 verschärften Knickschutzbestimmungen wurden die Knick-Eigentümer und -Pächter von der Landwirtschaftskammer, dem Bauernverband und über öffentliche Merkblätter und Verlautbarungen nach Inkrafttreten umfassend aufgeklärt. Informationsdefizite können deshalb als Hauptursache für die mangelhafte Umsetzungspraxis ausgeschlossen werden. Die wissentliche Missachtung kann nur auf ungenügende Kontrolldichte und ausbleibende Sanktionierungen bei Verstößen zurückgeführt werden. Sanktionierungen bei Verstößen sind durchaus vorgesehen: Die Nichteinhaltung des Knickschutzstreifens oder des Mindestabstandes beim Aufputzen sind nach der Biotopschutzverordnung mit Geldbußen, Verstöße gegen die Rückschnittbestimmungen darüber hinaus nach den sog. Cross Compliance-Bestimmungen des EU-Rechts mit empfindlichen Kürzungen der finanziellen Flächenförderung belegt. Unterbleiben jedoch die erforderlichen Einhaltungskontrollen durch die zuständigen Unteren Naturschutzbehörden (UNB) der Kreise ist es nicht verwunderlich, wenn sich die Betroffenen zum vermeintlich eigenen Vorteil nicht an die Schutzbestimmungen halten, weil das Risiko „erwischt“ zu werden, verschwindend gering ist und ggf. nur eine Ermahnung zu erwarten ist.

Welche Schlussfolgerungen ergeben sich für den Knickschutz?

Der BUND Schleswig-Holstein wird die mit der Kartieraktion nachgewiesenen unbefriedigenden Zustände in der Knickschutz-Praxis zu Lasten der Natur nicht hinnehmen.

Er fordert das schleswig-holsteinische Umweltministerium auf, dafür Sorge zu tragen, dass die zuständige Behörden ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen und durch regelmäßige wiederholte Kontrollen und ggf. über die möglichen Sanktionierungen die Einhaltung der Schutzbestimmungen durchsetzen.

Gesetze und Verordnungen sind nur so gut, wie sie auch eingehalten bzw. durchgesetzt werden. Die Landesregierung und die Behörden müssen handeln, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit beim Knickschutz nicht verlieren wollen. 

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