Kiel, 06. November 2024 - Die Landesregierung will bis Ende des Jahres 12,5 Prozent der Ostseeflächen Schleswig-Holsteins unter strengen Schutz stellen – so die Ankündigung im Aktionsplan Ostseeschutz, veröffentlicht im März 2024. Kürzlich wurde die Gebietskulisse der geplanten Schutzgebiete vom Landesfischereiverband Schleswig-Holstein in einem offenen Brief an den Umwelt- und Agrarausschuss des Landtages in Frage gestellt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein e.V. (BUND SH) und sechs weitere Naturschutzverbände richteten daraufhin ebenfalls einen offenen Brief an den Ausschuss, um klarzustellen, dass die neuen marinen Schutzgebiete unabdingbar für den Erhalt der bedrohten Fischpopulationen und der Fischereibetriebe sind. Während der Fischereiverband in der aktuellen Sitzung des Umwelt- und Agrarausschusses angehört wird, dürfen die Naturschutzverbände nur ein Statement abgeben.
Den offenen Brief der Naturschutzverbände hatten neben dem BUND SH die Arbeitsgemeinschaft Integrierter Ostseeschutz (AGIO), die Heinrich-Böll-Stiftung SH, der Landesnaturschutzverband (LNV SH), der Naturschutzbund Deutschland (NABU, Landesverband SH), der Verein Jordsand und der WWF unterzeichnet.
„Bedroht sind die Fischereibetriebe nicht durch fischereifreie Schutzgebiete, sondern dadurch, dass es kaum noch Fische gibt“, sagt Verena Platt-Till, Meeresschutzreferentin beim BUND SH. Jürgen Leicher, Vorstandsmitglied des BUND SH, ergänzt: „Grund Nummer eins für den Mangel an Fischen ist die bisherige, lange andauernde Überfischung. Daran lassen die Forschungsinstitute – das Thünen-Institut eingeschlossen – keinen Zweifel.“
Jahr für Jahr empfiehlt der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES), die Fischerei auf Dorsch und Hering in der Ostsee komplett zu untersagen, um die Bestände der Fische zu retten. Genauso regelmäßig ignorieren die Fischereiminister*innen bei der Festsetzung der Fangquoten diese Empfehlung.
Die Ausweisung der drei fischereifreien Schutzzonen im Gebiet von der Schlei bis Gelting, in der südlichen Hohwachter Bucht und westlich Fehmarn, sowie der Erhalt eines strengeren Schutzstatus der drei bestehenden Natura 2000-Gebiete in den Bereichen Sagasbank, Stoller Grund und in der Geltinger Bucht müssen deshalb nach Ansicht der Naturschutzverbände so schnell wie möglich umgesetzt und nicht weiter gebremst werden. „Jede weitere Aufweichung der bereits zusammengekürzten Schutzmaßnahmen schadet nicht nur den Fischen, sondern auch den Fischereibetrieben“, ist Dagmar Struß, stellvertretende Landesvorsitzende des NABU SH, überzeugt.
„Da nach europäisch beschlossenem Natur-Wiederherstellungsgesetz auf 20% der Meeres- und der Landflächen Wiederherstellungsmaßnahmen erforderlich sind, sind die genannten 12,5% nutzungsfreien Zonen nur ein erster Schritt zum Erreichen dieser Ziele.“ Darauf weist Christof Martin, stellvertretender Vorsitzender des LNV SH, hin.
„Wir brauchen ausgedehnte Schutzgebiete ohne Stellnetze. Bei dieser Form der Fischerei steht die geringe wirtschaftliche Bedeutung einem großen Schaden an der Natur gegenüber, weil in den Stellnetzen tauchende Seevögel, Robben und Schweinswale als Beifang ertrinken“, betont Veit Hennig, Vorsitzender des Verein Jordsand.
Zwei weitere Gründe für den Rückgang der Fischpopulationen nennt der Landesfischereiverband in seinem offenen Brief selbst: Den Klimawandel und die Überdüngung der Gewässer. Die zunehmenden Nährstoffeinträge werden im Aktionsplan Ostseeschutz angesprochen. Phosphor- und Stickstofffrachten sollen bis zum Jahr 2030 um 10 % und bis zum Jahr 2035 um weitere 10 % gesenkt werden, heißt es dort wörtlich. Gleiches gilt für die Verbesserung der Gewässerqualität zum Beispiel durch Munitionsbergung oder die Rücksichtnahme des Wassersports.
„Der dramatisch schlechte Zustand der Ostsee mit ihren Arten und Lebensräumen kann nur durch eine Umsetzung aller Maßnahmen noch zum Besseren gewandelt werden. Alle relevanten Akteure müssen jetzt ihren Teil dazu beitragen, damit diese Gemeinschaftsaufgabe gelingt“, sagt Dagmar Struß vom NABU SH.
„Wir nehmen die Landesregierung mit ihren vor acht Monaten gemachten Zusagen beim Wort. Sie muss jetzt durch klare gesetzliche Vorgaben fischereifreie Schutzzonen schaffen und durch Vereinbarungen mit den Landwirtschaftsbetrieben die Nährstoffeinträge in die Ostsee wirksam und nachhaltig reduzieren“, so der Appell von Verena Platt-Till im Namen der Naturschutzverbände.
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